Die Risiken einer beschleunigten Entmenschlichung des Gefechtsfeldes durch bewaffnete Drohnen sind unüberschaubar – für ein grundsätzliches Verbot von bewaffneten Drohnen

Antrag der BAG Frieden & Internationales zur BDK in Hamburg (21. -23.11.2014) vom 28.09.2014 Nachdem bewaffnete Drohnen erstmalig und noch recht vereinzelnd Ende der 90er Jahre auf dem Balkan zum Einsatz kamen, begannen diese neuen Waffensysteme spätestens nach dem 11. September 2001 die Kriegführung zu revolutionieren.

28.09.14 –

Antrag der BAG Frieden & Internationales zur BDK in Hamburg (21. -23.11.2014) vom 28.09.2014

Nachdem bewaffnete Drohnen erstmalig und noch recht vereinzelnd Ende der 90er Jahre auf dem Balkan zum Einsatz kamen, begannen diese neuen Waffensysteme spätestens nach dem 11. September 2001 die Kriegführung zu revolutionieren. Mit diesen unbemannten Luftfahrzeugen etablierte sich in einigen wenigen Staaten in kurzer Zeit eine neue und rechtlich wie ethisch sehr umstrittene Methode der Kriegführung, die gezielte Tötung durch Drohnen. Die USA, Großbritannien und Israel nutzen bewaffnete Drohnen bereits seit Jahren, teilweise auch für gezielte Tötungen in fremden Staaten, mit denen die Staaten, die bewaffnete Drohnen einsetzen, sich in keinem bewaffneten Konflikt befinden.

Auch in bewaffneten Konflikten haben die beteiligten Parteien kein unbeschränktes Recht in der Wahl der Methoden und Mittel der Kriegführung. Häufig erfolgen Einsätze bewaffneter Drohnen unter Missachtung der staatlichen Souveränität und zudem oft mehrfach kurz hintereinander an selber Stelle, wodurch zumeist diejenigen zivile HelferInnen massiv geschädigt werden, die den Opfern der ersten Angriffe beistehen wollen. Diese Praktiken werden von Deutschland und vielen anderen Staaten dadurch quasi geduldet, da sie bisher nicht massiv dagegen intervenieren. Infolgedessen drohen gezielte Tötungen mit unbemannten Luftfahrzeugen zur völkerrechtlichen Gewohnheit zu werden. Andere staatliche und nicht-staatliche Akteure könnten diesen Beispielen folgen, wodurch zukünftig auch in Deutschland gezielte Tötungen durch Drohnen Dritter nicht mehr ausgeschlossen werden können.

Angriffe mit diesen Waffensystemen aus bisher nie dagewesener Distanz und über Kontinente hinweg sind inzwischen regelmäßig Einsatzrealität. Die Auswirkungen hiervon sind mannigfaltig. So werden räumlich bisher begrenzte Konflikte deutlich ausgedehnt, ggf. auch weltweit. Die Gefahr der regelmäßigen Entgrenzung von bisher noch regionalen Konflikten ist absehbar. Dabei muss die Frage gestellt werden, wie diese Entgrenzung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz des humanitären Völkerrechts vereinbar ist. Ein oft vernachlässigtes Problem dieser Entgrenzung wäre, dass militärische Infrastruktur zum Betrieb von bewaffnungsfähigen Drohnen, wie beispielsweise Bodenkontrollstationen, zum legitimen Ziel im Sinne des humanitären Völkerrechts werden kann. Es ist absehbar, dass Bodenkontrollstationen, Auswerteanlagen, Kommunikations- und Führungsinfrastruktur sowie logistische Infrastruktur zum Betrieb bewaffnungsfähiger Drohnen nicht ausschließlich in unbesiedelten Gegenden Deutschlands errichtet werden. Dies birgt eine große Gefahr für die Bevölkerung in Deutschland, die sich in der Nähe dieser Einrichtungen wohnt oder aufhält. Für Soldatinnen und Soldaten, welche mit diesen Drohnen arbeiten, kann eine große räumliche und emotionale Distanz zum Einsatzgebiet einerseits eine Art „Playstation Mentalität des Tötens“ befördern. Andererseits hat sich insbesondere in den USA gezeigt, dass SoldatInnen durch ihre Drohneneinätze auffällig häufig psychisch erkrankten.

Wir verkennen im Gegensatz zur Bundesverteidigungsministerin nicht die Gefahr, dass eine Automatisierung der Kriegführung, welche mit der Einführung bewaffnungsfähiger Drohnen zwangläufig forciert wird, zu einer Radikalisierung und zusätzlichen Rekrutierung von GegnerInnenn führen kann und möglicherweise bereits geführt hat. Mit bewaffnungsfähigen Drohnen könnten GegnerInnen geschaffen werden, die es ohne diese Systeme nicht gegeben hätte. Weder zusätzliche noch radikalisierte GegnerInnen werden den Schutz von SoldatInnen verbessern.

Drohneneinsätze haben bisher mehr zur Verschärfung und zur lang andauernden Destabilisierung von Konfliktregionen beigetragen als zur Lösung von Konflikten. Der Einsatz dieser Systeme hat bereits mehrere Tausend Menschen das Leben gekostet, darunter Personen, welche durch einige Staaten als TerroristInnen bezeichnet werden, aber auch viele unschuldige ZivilistInnen. Nach Medienberichten wurden in Afghanistan in den letzten Jahren pro Einsatz mehr ZivilistInnen mit bewaffneten Drohnen getötet als mit bemannten Kampfflugzeugen. Diese Erkenntnisse belegen, dass eine zuverlässige Unterscheidung von geschützten Personen und gegnerischen KämpferInnen in Einsatzgebieten wie Afghanistan mit bewaffneten Drohnen bisher allzu oft gescheitert ist.

Mit der Einführung bewaffneter Drohnen hat eine Entgrenzung des Gefechtsfeldes bereits begonnen, womit besondere Risiken verbunden sind. Diese Entgrenzung droht sich durch Beschaffungsüberlegungen in mehreren Staaten, die bisher über keine bewaffneten Drohnen verfügen, sowie zahlreiche Forschungsvorhaben in Richtung autonome Drohnen zu beschleunigen, wodurch eine gefährliche Aufrüstungsspirale in Gang gesetzt werden wird.

Auf Grundlage dieser Angaben halten wir den Erwerb und den Einsatz bewaffneter Drohnen für äußerst fragwürdig. Ziel deutscher Sicherheits- und Verteidigungspolitik sollte es sein, nur dann neue Waffen, Mittel oder Methoden der Kriegführung für eine Beschaffung in Betracht zu ziehen, wenn diese Schäden unter Zivilbevölkerung zuverlässig und nachprüfbar verringern – und nicht vergrößern.

Wir, Bündnis 90/Die Grünen, fordern:

  • ein grundsätzliches Verbot von bewaffneten Drohnen und lehnen eine Beschaffung solcher Waffensysteme ab.
  • Dass sollte es bis zu einer vertraglichen Vereinbarung über die Beschaffung und Nutzung bewaffneter Drohnen durch die Bundeswehr noch kein grundsätzliches Verbot bewaffneter Drohnen bestehen oder ein anderes Rüstungskontrollregime die beabsichtigte Beschaffung ausschließen,
    • dann muss ein Prüfprozess nach Artikel 36 ZP I der Genfer Konvention für unbemannte Systeme und deren Vereinbarkeit mit dem geltenden Völkerrecht durchlaufen und abgeschlossen werden. Der Deutsche Bundestag ist umfassend und transparent über Ergebnisse dieser Prüfung nach Art. 36 ZP I vor einer Beschaffung dieser Waffensysteme zu unterrichten.
    • muss die Bundesregierung eine umfassende Stellungnahme dazu abgeben, warum ausgerechnet solche Waffen, Mittel oder Methoden der Kriegführung für eine Beschaffung in Betracht gezogen werden, welche pro Einsatz mehr zivile Opfer fordern als bereits verfügbare Waffen, Mittel und Methoden.
    • auf Investitionen in die Erforschung und Entwicklung letaler autonomer Waffensysteme an Universitäten verzichtet werden sollte.
    • dann sind alle notwendigen Vorkehrungen dafür zu treffen, dass nicht mit der Einführung dieser Systeme zusätzliche legitime Ziele für Angriffe gegnerischer Kräfte in Deutschland entstehen und dadurch nicht nur SoldatInnen gefährdet werden, sondern auch AnwohnerInnen in der Nähe militärischer Infrastruktur, die zum Einsatz dieser bewaffnungsfähigen Drohnen benötigt wird. Sowohl die Bevölkerung in der Nähe von Drohneninfrastruktur als auch der Deutsche Bundestag sind über die durch bewaffnungsfähige Drohnen verbundene zusätzliche Gefährdungssituation umfassend in Kenntnis zu setzen.
    • Das Argument, dass bewaffnungsfähige Drohnen SoldatInnen schützen würden, muss kritisch hinterfragt werden, da es schlicht nicht nachvollziehbar ist. Vielmehr deutet vieles darauf hin, dass der Schutz der SoldatInnen besser durch den Verzicht auf bewaffnungsfähige Drohnen sichergestellt werden kann. Vor dem Hintergrund, dass letztlich der sogenannte Schutz deutscher SoldatInnen durch Drohnen mit dem Tod von GegnerInnen – und allzu oft auch unbeteiligten Zivilpersonen – erkauft werden soll, muss dieses vermeintliche Argument des Schutzes als Zynismus enttarnt werden und verhindert werden, dass die Logik hinter dem Argument der Bundesverteidigungsministerin Vorschub für die Einführung auch anderer Offensivwaffen leisten könnte.
    • dann sind wirksame Maßnahmen zum Schutz der SoldatInnen vor psychischen Erkrankungen in Folge von Drohneneinsätzen ebenso zu schaffen, wie geeignete Therapien für in Folge von Drohneneinsätzen erkrankter SoldatInnen.
    • dann sollte darüber hinaus ein sicherheitspolitisches Konzept der Bundesregierung zum Einsatz von bewaffneten oder bewaffnungsfähigen Drohnen entwickelt und diskutiert werden. Grundlage für ein solches Konzept ist aus unserer Sicht die Ausarbeitung sicherheitspolitischer Grundlagendokumente einerseits und der Dialog mit dem Deutschen Bundestag sowie der Gesellschaft und der Beratung durch die Wissenschaft andererseits.

Die Durchsetzung dieser Forderungen wird nur durch einen längeren politischen Prozess möglich sein, daher bedarf es schon jetzt klarer roter Linien, um aktuellen Fehlentwicklungen beim Einsatz von Drohnen entgegenzuwirken.

Rote Linien beim Einsatz und der Rüstungskontrolle bewaffneter Drohnen ziehen

Einsatzdoktrin im Völkerrecht verankern

Insbesondere in den Regionen Afghanistan, Pakistan, Jemen und in Afrika, vor allem in Somalia, haben in den vergangenen Jahren zahlreiche Drohnenangriffe stattgefunden. Dabei kam es wiederholt auch zu vielen zivilen Opfern. Der Einsatz der Drohnen ist dadurch auch in den Fokus von Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch und Amnesty International geraten. Diese kritisieren zu recht, dass die Angriffe nicht nur häufig gegen humanitäres Völkerrecht verstoßen haben, sondern es sich bei diesen Drohneneinsätzen zum Teil auch um Kriegsverbrechen gehandelt habe.

Ausgangspunkt für die völkerrechtliche Kritik ist die US-Drohnenpraxis des gezielten Tötens von Individuen, das nach breit vertretener Ansicht nur ausnahmsweise im Rahmen bewaffneter Auseinandersetzung gerechtfertigt sein könnte und dies auch nur laut Genfer Konvention gegenüber KombattantInnen. Die Kriterien für einen bewaffneten Konflikt sind nach Meinung von VölkerrechtlerInnen zumeist nicht erfüllt.

Zudem ist in vielen einzelnen Fällen völkerrechtlich umstritten, ob es sich bei den Zielpersonen überhaupt um KombattantInnen handelt, jedenfalls dann, wenn diese nicht in unmittelbar bevorstehende militärische Auseinandersetzungen oder Anschlagsplanungen eingebunden sind. Der Unterscheidungsgrundsatz, der die Zivilbevölkerung schützen soll, droht besonders bei gezielten Tötungen unterlaufen zu werden, weil das familiäre und soziale Umfeld der Zielperson als unvermeidbarer Kollateralschaden akzeptiert wird.

Eine besonders umstrittene Einsatzart stellen die sog. Signature-Strikes dar. Diese
160 spezielle Einsatzart wird, gestützt durch eigene Äußerungen, bisher vorwiegend von der
161 US Administration in ihrem weltweiten Kampf gegen den Terrorismus eingesetzt. Solche
162 Angriffe, bei denen Ziele nach Bewegungs- und Verhaltensmustern ausgewählt werden,
163 sind ethisch höchst fragwürdig einzustufen, denn sie machen eine klare Grenzziehung
164 zwischen ZivilistInnen und möglichen KombattantInnen unmöglich.

In mehreren Fällen hat Amnesty International in Pakistan mit Zweitschlägen – sog. „double taps“ – auf dasselbe Ziel Angriffe auf HelferInnen und RetterInnen registriert. Solche Angriffe können die im Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs genannten Kriterien eines Kriegsverbrechens erfüllen. Zusätzlich ist der strategische Erfolg des gezielten Tötens von Führungspersonen zur Bekämpfung terroristischer Organisationen höchst umstritten und möglicherweise sogar kontraproduktiv. Es kommt durch die hohe Zahl an zivilen Opfern zu Solidarisierungseffekten, die für Zufluss an neuen KämpferInnen sorgen kann.

Alle diese Einsätze finden bisher außerhalb der international festgelegten Regeln und Normen des Völkerrechts statt. Völkerrecht wird auch durch Übung gebildet. Deswegen besteht die erhebliche Gefahr, dass die US-Einsatzpraxis bei entsprechend langer Ausübung die bisher geltenden Grenzen des humanitären Völkerrechts verschiebt und zu neuem Völkergewohnheitsrecht wird. Das kann nur auf Regierungsebene durch die klare Artikulation verhindert werden, dass Deutschland diese US-Einsatzpraxis nicht billigt. Dies scheint umso notwendiger als die Bundesregierung durch mögliche bestehende US-Drohnensteuerung von deutschem Boden aus sowieso schon in der unmittelbaren Verantwortung steht, alleine schon, weil damit eine rechtliche Ausweitung der Kampfzone verbunden sein könnte.

Auch der Blick in die nahe Zukunft erzeugt kein positiveres Bild. Mit dem Ende der Nutzungsdauer von Trägermitteln von Atomwaffen spätestens im kommenden Jahrzehnt wird sich in mehreren Staaten die Frage nach geeigneten und vermeintlich kostengünstigen Alternativen z.B. Drohnen stellen. Wir halten die absehbare Möglichkeit des Verbringens von Massenvernichtungswaffen mittels hochgradig autonomer Träger für besonders fahrlässig und extrem besorgniserregend.

Grüne Forderungen für einheitliche und klare Einsatzdoktrinen

Wir, Bündnis 90/Die Grünen, fordern:

  • alle notwendigen Maßnahmen umgehend einzuleiten, um zu verhindern, dass die derzeitige Praxis der gezielten Tötungen außerhalb von bewaffneten Konflikten zum Völkergewohnheitsrecht wird.
  • die Völkerrechtsinterpretationen, insbesondere der USA, die den Begriff des bewaffneten Konflikts sehr weitreichend auslegen, entschieden entgegenzutreten und sich für eine Klärung dieses Begriffs im Völkerrecht einzusetzen.
  • in der NATO müssen konkrete Rahmenbedingungen und völkerrechtlich wie ethisch einwandfreie Einsatzdoktrinen für Einsätze von bewaffneten Drohnen entwickelt werden.
  • gezielte Tötungen einzelner Personen oder Gruppen außerhalb bewaffneter Konflikte als völkerrechtswidrig zu ächten.
  • dass extralegale Signature-Strikes verboten werden müssen.
  • dass Angriffe auf HelferInnen und RetterInnen durch Zweit-Angriffe, sogenannte „double taps“, geächtet und konsequent durch den Internationalen Strafgerichtshof verfolgt werden müssen.
  • das Drohnen als Träger von Massenvernichtungswaffen verboten werden müssen, sofern kein grundsätzliches Verbot bewaffneter Drohnen zeitnah realisierbar sein sollte.

Autonome Systeme: Fehlende völkerrechtliche Definition macht effektive Rüstungskontrolle unmöglich

Drohnen können auf unterschiedliche Art und Weise gesteuert werden. Grundsätzlich unterscheiden sich drei Grundprinzipien: Fernlenkung, automatische und autonome Operationen. Bei derzeit genutzten bewaffneten Drohnen wie die MQ-9 Reaper, welche u.a. für gezielte Tötungen eingesetzt werden, handelt es sich um ferngesteuerte Drohnen. Bei Drohnen dieser Klasse sind bereits phasenweise automatische Operationen möglich und vorgesehen. Beispielsweise können einige Systeme automatisch landen, fliegen vorbestimmte Flugmanöver, um nach Abbruch des Steuersignals dieses wiederzufinden oder finden im Falle einer dauerhaften Unterbrechung dieses Signals selbständig zu einem vorher festgelegten Landeplatz. Technisch betrachtet besteht zwischen einem ferngesteuerten Luftfahrzeug und einem Luftfahrzeug mit moderner fly-by-wire226 Steuerung der einzige wesentliche Unterschied in der Nähe der PilotIn zum Luftfahrzeug. Operativ besteht ein wesentlicher Unterschied darin, dass bei Luftfahrzeugen mit Fernlenkung sich Signallaufzeiten von wenigen Sekunden ergeben.

Luftfahrzeuge, welche ganz oder teilweise ohne Mitwirkung des Menschen bestimmungsgemäß arbeiten, fliegen automatisch. Vergleichbar sind solche Flüge mit der Funktionsweise einer Waschmaschine. Das Ergebnis einer automatisierten Handlung ist vorhersagbar und reproduzierbar. Der Mitwirkungsgrad des Menschen bestimmt, ob es sich um einen teil- oder vollautomatischen Ablauf handelt. Die meisten Marschflugkörper beispielsweise fliegen nach ihrem Abschuss von einem Träger bis zum Erreichen ihres Ziels vollautomatisch.

Eine Weiterentwicklung sind autonome Systeme. Derartige Systeme besitzen Fähigkeiten zur Wahrnehmung, Entscheidungsfindung und Ausführung und haben unterschiedliche Entscheidungsfreiheiten, um ihre Aufgabe zu erfüllen. Prozesse autonomer Systeme sind nicht vorhersagbar. Autonome Systeme werden in unterschiedliche Autonomiegrade eingeteilt. Je mehr der Mensch an Eingriffsmöglichkeiten verliert und weniger Zugriff er auf Informationen hat, desto autonomer operiert das System. Umstritten und nicht abschließend festgelegt ist jedoch, welche Voraussetzungen konkret für „vollautonome Systeme“ gelten. So kann die Auffassung vertreten werden, dass ein System dann als „vollautonom“ gilt, wenn dieses beispielsweise ohne Rückkopplung zu einer menschlichen Entscheidung zum Einsatz tödlicher Gewalt befähigt ist. Ein System, welches jedoch beispielsweise auf eine Energieversorgung („Betankung“) durch den Menschen angewiesen ist, wäre nicht „vollautonom“, sondern lediglich als „teilautonom“ zu bezeichnen. Rüstungskontrollvereinbarungen zu vollautonomen Kampfdrohnen werden in ihrer Wirksamkeit wesentlich davon abhängen, auf welches Begriffsverständnis die internationale Gemeinschaft sich einigen wird. Es ist absehbar, dass „vollautonome Systeme“ im engeren Sinne technisch derart anspruchsvoll sind, dass diese über einen längeren Zeitraum militärisch bedeutungslos bleiben werden. Forschungsprogramme und Drohnenerprobungsträger mit teilautonomen Fähigkeiten existieren bereits und werden sich absehbar in naher Zukunft schnell weiterentwickeln. Bei diesen Systemen ist der Mensch nicht mehr Teil der Ausführung - in the loop -, sondern nimmt nur noch eine Überwachungsrolle - on the loop - ein.

Für viele Militärs ist die deutliche Erhöhung des Automomiegrades bewaffneter Drohnen mit dem Vorteil verbunden, dass die aufwändige und durch GegnerInnen manipulierbare Datenübertragung reduziert wird, die zudem aufklärbar ist und damit den Überraschungsmoment des Angriffs reduziert.

Genau diese Erhöhung des Automomiegrades wird jedoch dazu führen, dass GegnerInnen ihrerseits ihre Systeme, insbesondere ihre Abwehrsysteme, in ihrem Autonomiegrad weiter erhöhen müssen, um noch effektiver wirken zu können. Das wird eine Aufrüstungsdynamik in Gang setzen, die zwangsläufig den Trend zu hochgradig autonomen oder gar vollautonomen Tötungssystemen weiter beschleunigen wird. Mit der Einführung bewaffneter Drohnen wird die Büchse der Pandora geöffnet.

Vor dem Hintergrund der absehbar bis auf Weiteres sehr uneinheitlichen Vorstellungen zur Verwendung des Begriffs „Autonomie“ bei bewaffneten Drohnen sowie zur genauen Definition einer angemessenen menschlichen Involvierung bei der Entfaltung tödlicher Gewalt durch bewaffnete Drohnen werden effektive Rüstungskontrolle erheblich erschwert oder gar unmöglich. Ein zielführender und pragmatischer Lösungsansatz dieser Herausforderung ist es, bereits bewaffnete Drohnen auf niedrigster Autonomiestufe zu verbieten, also ein grundsätzliches Verbot dieser Waffensysteme anzustreben.

Grüne Forderungen für eine effektive Rüstungskontrolle

Wir, Bündnis 90/Die Grünen, fordern:

  • das grundsätzliche Verbot bewaffneter Drohnen, solange keine einheitlichen und verbindlichen Vorstellungen zur Verwendung des Begriffs „Autonomie“ bei bewaffneten Drohnen sowie zur genauen Definition einer angemessenen Involvierung des Menschen bei der Entfaltung tödlicher Gewalt durch bewaffnete Drohnen existiert.
  •  die internationale Erarbeitung eines gemeinsamen Verständnisses von letalen autonomen Waffensystemen, damit Rüstungskontrollregime nicht etwas reglementieren, das – selbst langfristig – technisch nicht realisierbar ist, sowie eine internationale Vereinbarung über die angemessene Involvierung des Menschen bei der Entfaltung tödlicher Gewalt durch bewaffnete Drohnen unter Beachtung völkerrechtlicher wie ethischer Gesichtspunkte.
  • die Schaffung wirksamer weltweiter Rüstungskontrollregime für bewaffnete Drohnen, insbesondere solche mit hohem Autonomiegrad, sobald einheitliche und verbindliche Vorstellungen zur Verwendung des Begriffs „Autonomie“ bei bewaffneten Drohnen sowie zur genauen Definition einer angemessenen Involvierung des Menschen bei der Entfaltung tödlicher Gewalt durch bewaffnete Drohnen existieren, um einem sonst drohenden neuen Rüstungswettlauf vorzubeugen.

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