Menschenrechte stärken – Folter bekämpfen und Beschaffung von Drohnen ablehnen

Beschluss der BAG Frieden & Internationales vom 28.09.2012 Folter ist eines der schwersten Verbrechen überhaupt. Oft zieht sie lebenslange, schwere physische und seelische Folgen nach sich. Außerdem geht Folter oft mit weiteren schweren Verbrechen, wie z.B. Verschwindenlassen von Personen, Vergewaltigung, willkürlicher Inhaftierung, oder grob unfairen Gerichtsverfahren einher.

28.09.12 –

Beschluss der BAG Frieden & Internationales vom 28.09.2012

Folter ist eines der schwersten Verbrechen überhaupt. Oft zieht sie lebenslange, schwere physische und seelische Folgen nach sich. Außerdem geht Folter oft mit weiteren schweren Verbrechen, wie z.B. Verschwindenlassen von Personen, Vergewaltigung, willkürlicher Inhaftierung, oder grob unfairen Gerichtsverfahren einher. Sie kann darüber hinaus als Druckmittel, staatlich oder privat eingesetzt, oder nur schon angedroht, Rechtsstaatlichkeit unterminieren. Das Verbot von Folter, oder auch schon ihrer Androhung, sowie deren lückenlose Ahndung, sind daher elementare Merkmale des freiheitlich-demokratischen Rechtsstaats. Wo es vernachlässigt oder missachtet wird, bröckelt er. Gleiches gilt jedoch auch für das Folterverbot auf internationaler Ebene, dessen Erosion droht. Dies hat direkt oder indirekt negative Auswirkungen auf zahlreiche internationale Politik- und Rechtsfelder, weil es die Herrschaft des Rechts schwächt.

Das absolute Verbot von Folter ist eine international anerkannte, rechtsverbindlich kodifizierte Menschenrechtsnorm und uneingeschränkt gültig, selbst in Notstandssituationen und bewaffneten Konflikten. Bereits 1948 in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte durch die Vollversammlung der Vereinten Nationen verankert, markiert das absolute Folterverbot einen Wendepunkt in der Geschichte der menschlichen Zivilisation. Die Schrecken des Zweiten Weltkriegs führten in dieser Zeit zur Erkenntnis und Verkündigung des universellen Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die 1984 darauf folgende UN-Antifolterkonvention, bis heute das zentrale rechtliche Instrument zur Durchsetzung des absoluten Folterverbots, ist bisher von 146 Staaten, inklusive Deutschlands, ratifiziert worden. Die Staaten erklären damit, Folter verhindern zu wollen und unter Strafe zu stellen. Das Folterverbot umfasst außerdem auch das Verbot "grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung". Zudem verbietet es z.B., Menschen in Staaten abzuschieben, in denen ihnen Folter und Misshandlung drohen. Es hat damit auch große Bedeutung für den Flüchtlingsschutz, in dessen Praxis es aber, auch in Deutschland, oft zu kurz kommt.

Das Folterverbot ist zudem eine völkergewohnheitsrechtliche Norm und gilt damit auch für Staaten, die das Übereinkommen gegen Folter nicht ratifiziert haben. Im Rahmen der universellen Gerichtsbarkeit (Weltrechtsprinzip) ist jeder Staat somit im allgemeinen Interesse aller verpflichtet, Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung auch in anderen Staaten strafrechtlich zu verfolgen, sofern der betroffene Staat dazu nicht fähig oder willens ist.

Trotzdem ist Folter bis heute ein weit verbreitetes Phänomen. Rund um die Welt kommt sie vor, und dies zumeist in Kontexten von autoritärer und/oder schwacher Staatlichkeit. Die aktuelle syrische Revolte wurde auch durch Folter befördert.1 Dabei ist Folter aber nicht nur ein Problem außerhalb Europas. Vor allem im Namen des "Krieges gegen den Terror" wurden Menschenrechte und internationales Recht insgesamt, und speziell das Folterverbot, auch durch den Westen ausgehöhlt. Elementare Regeln und Menschenrechtsstandards wurden hier gebrochen, bzw. ihr Ignorieren seitens Verbündeter geduldet oder gar ermutigt und genutzt. Seitens der USA selbst wurden etwa Foltermethoden wie z.B. das sog. waterboarding unter der euphemistischen Bezeichnung enhanced interrogation techniques offiziell zur Verwendung gegen Terrorverdächtige autorisiert. Oft gingen und gehen diese Verbrechen zudem mit anderen schweren Menschenrechtsverletzungen einher.2 So wurden Menschen z.B. in folternde Drittstaaten oder andere außerrechtsstaatliche Räume verschleppt und auf unbestimmte Zeit inhaftiert. Selbst die Fälle die bei alledem größeres Aufsehen erregten, wie z.B. der 2004er Skandal um Folter im irakischen US-Militärgefängnis von Abu Ghureib, wurden indes jedoch, wenn überhaupt, nur als Einzelfälle behandelt und abgetan, ohne die eigentlich politisch Verantwortlichen ebenfalls dafür zu belangen.

Zu alldem gibt es keinen bis höchstens lauen Protest durch europäische Regierungen. Sie machen sich so zusätzlich zu eigenen Verfehlungen mitschuldig. Dies schürt nicht nur anti-westliche Ressentiments, sondern wirkt sich auch korrodierend auf den weltweiten Respekt für das Folterverbot als universelle Menschenrechtsnorm aus. Zu oft entsteht der Eindruck, Menschenrechte seien lediglich Stoff für Sonntagsreden oder gar ein bloßes Vehikel um selektiv missliebige Regierungen anzuprangern, während man es bei sich selbst und den eigenen Verbündetenen nicht so genau nimmt. Dieser Eindruck ist leider nicht komplett von der Hand zu weisen.

Deutschland und Europa machen sich bei alldem auch aktiv mitschuldig: Bei den sog. CIArendition-Flügen z.B., welche Entführungen in folternde Geheimgefängnisse beinhalteten, haben einige europäische Regierungen umfassend transatlantisch kooperiert, unter anderem durch Informationsweitergabe und Verhöre in ausländischen Foltergefängnissen. Dies belegen Berichte im Auftrag des Europarates, welche explizit auch Deutschland für die Geheimhaltung wichtiger Sachverhalte dazu kritisieren. Außerdem nutzten deutsche Bundesregierungen, wie z.B. im Falle des im Zuge dieser Aktivitäten entführten und misshandelten Khaled El Masri, ihren "außenpolitischen Ermessensspielraum" wider geltendes internationales Recht (s.o.) dazu, aus Angst vor diplomatischen Schwierigkeiten eine Strafverfolgung der Täter zu verhindern. Des weiteren konnte gerade ein Beamter Chef des Verfassungsschutzes in Deutschland werden, der, wie übrigens auch Teile der damaligen rot-grünen Bundesregierung, wahrscheinlich Mitschuld an einer deutlich verlängerten Haft von Murat Kurnaz im Gefangenenlager Guantanamo trägt.

Auch die juristische Aufarbeitung der zuvor benannten Missstände wirft kein positives Licht auf westliche Regierungen. In diesem Zusammenhang ist beispielweise die jüngste Entscheidung des US-Justizministeriums kritisch zu beurteilen, auch die wohl vorerst letzten Ermittlungen gegen VertreterInnen und Untergebene der Vorgängerregierung im Hinblick auf Vorwürfe von Folter und ihrer Förderung einzustellen. Aber auch in Europa verläuft die Aufklärung schleppend.

Die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter in Deutschland, entstanden aus einer völkerrechtlichen Verpflichtung durch das optionale Zusatzprotokoll zur UNAntifolterkonvention, bemängelt indes seit ihrem Bestehen ihre absolut unzureichende personelle und finanzielle Ausstattung. Dies ging soweit, dass der bisherige Leiter der zu ihr gehörigen Länderkommission, selbst ein ehemaliger Verfassungsschutz- und BND-Präsident, nach weiteren vergeblichen Appellen jüngst gar aus Protest zurücktrat. Dies alles zeigt, wie wichtig die gesellschaftliche und politische Auseinandersetzung mit dem Thema Folter, sowie ggf. juristische Konsequenzen, auch hierzulande nach wie vor sind.

Auch wenn Deutschland das Verbot von Folter und grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung in der Regel achtet, gibt es international begründete Kritik. So bemängelt eine Arbeitsgruppe des UN-Menschenrechtsrates im März 2012 z.B. die hierzulande verbreitete Inhaftierung von Asylbewerbern, die abgeschoben werden sollen, darunter auch unbegleitete Minderjährige. Sie schlägt außerdem auch die Schaffung einer unabhängigen Kommission vor, die auch hierzulande regelmäßig auftretenden Beschwerden über Fehlverhalten der Polizei nachgehen soll. Diesen und ähnliche Vorschläge, auch von internationaler Seite, sollten wir jeweils ernsthaft prüfen.

Grundsätzlich wollen wir in Sachen Folterverbot, aber auch Menschenrechten allgemein, eine Politik verfolgen, die sich weltweit – überzeugend und dialogorientiert - einsetzt. Dazu gehört, dass wir Menschenrechte ohne jegliche Abstriche als universell ansehen, achten, und für alle Menschen einfordern. Hierbei müssen wir aber in Form und Lautstärke auf die gegebenenfalls sehr unterschiedlichen Wahrnehmungen unserer GesprächspartnerInnen eingehen, um sie, in vielen Fällen, überhaupt erst zu erreichen. Außerdem gehört hierzu im Sinne unserer Glaubwürdigkeit zwingend, dass wir unsere eigenen Verfehlungen dabei selbstkritisch und absolut schonungslos betrachten und betrachten lassen, sowie FreundInnen und Verbündete ebenfalls deutlich und in aller Konsequenz bei ihren Worten und Werten nehmen. Wir wollen uns so für eine Stärkung des Völkerrechts in zwischenstaatlichen Beziehungen einsetzen, auch wenn dies unter Umständen kurzfristig die deutsche Außenpolitik erschweren mag. Langfristig sehen wir die Stärkung des Rechts nämlich als unabdingbar, um gemeinsam mit anderen tragfähige Lösungen für drängende globale Probleme zu finden.

Wir fordern daher für die Bundes- und Länderebene folgende Politikmaßnahmen:

  • Folter als eigenen Straftatbestand in das StGB aufzunehmen und angemessene Regelungen zu Verjährung, Weltrechtsprinzip (Zuständigkeit für Strafverfolgung von Folter weltweit) und Strafmaß zu finden.
  • Die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter mit ausreichend personellen und finanziellen Mitteln auszustatten, sodass diese ihren gesetzlichen Auftrag erfüllen und die Bundesregierung somit ihre völkerrechtlichen Verpflichtungen aus dem Zusatzprotokoll der UN-Antifolterkonvention erfüllt.
  • Das korrekte Verhalten von Polizei- und Justizvollzugs-BeamtInnen, sowie die diesbezügliche Unabhängigkeit von Ermittlungsbehörden und Gerichten, nicht zuletzt in Fällen des Folterverdachts, konsequent sicherzustellen. Dies könnte z.B. durch Weiterentwicklung von Konzepten zur Unabhängigkeit der Justiz, einer stärkeren Sensibilisierung in der Ausbildung auf Foltervermeidung, sowie die Errichtung unabhängiger Kommissionen erfolgen, die Beschwerden über Fehlverhalten dieser Stellen nachgehen.
  • Die Einführung einer strikten, jedoch Schutz vor außerrechtlicher Verfolgung bietenden Kennzeichnungspflicht für alle PolizeibeamtInnen, um Verfehlungen besser melden und nachgehen zu können. Dies könnte z.B. in Form von Identifikationsnummern geschehen.
  • Potentiell unter Folter erlangte Beweismittel und Geständnisse von jeglichen Gerichtsverfahren im Zweifel komplett auszuschließen.
  • In Verdachtsfällen Menschen konsequent nicht dorthin abzuschieben, wo ihnen, auch "nur" in Einzelfällen, Folter droht, sowie abgelehnte AsylbewerberInnen in der Regel nicht zu inhaftieren.
  • Keine BeamtInnen oder Fragenkataloge zu Verhören in ausländische Haftanstalten, in denen der Verdacht der Folter besteht, zu schicken und keine Informationen an ausländische Stellen weiterzugeben, die anderen Staaten die Inhaftierung und Folter von Personen ermöglicht, falls dies zu befürchten ist.

Wir fordern zudem bezogen auf die internationale Politik von jeder Bundesregierung:

  • Sich international für eine vollumfängliche Ratifizierung der UN-Antifolterkonvention und aller Zusatzprotokolle einzusetzen.
  • Anderen Staaten soweit nötig, möglich und verhältnismäßig bei der Einhaltung ihrer daraus entstehenden Verpflichtungen zu helfen. So müssen wir z.B. auch anbieten, im Rahmen des westlichen "Krieges gegen den Terror" gefolterte oder unbefristet einsitzende Häftlinge aus Anstalten wie der in Guantanamo zu übernehmen. Falls ihnen rechtsstaatlich keine Verbrechen nachgewiesen werden können, ist ihnen dann zudem unverzüglich Freiheit und, sofern gewünscht, unbefristetes Aufenthaltsrecht und ein würdiges Leben in Deutschland zu gewähren.
  • Den Aufbau von Rechtsstaatlichkeit, insbesondere den Polizei- und Justizaufbau, unter parlamentarischer Kontrolle in anderen Staaten zu unterstützen. Hierbei muss besonderes Augenmerk darauf gerichtet werden, dass verwendete Mittel nicht am Ende gar selbst zur Unterdrückung oder Folter genutzt werden. Diese Anstrengungen müssen daher in enger Zusammenarbeit mit der örtlichen Zivilgesellschaft unternommen werden und darüber hinaus auch zwingend an den Aufbau von effektiven Mechanismen zum Schutz der Menschenrechte gebunden sein.
  • Deutsche oder europäische internationale Abkommen zur polizeilichen, militärischen oder geheimdienstlichen Zusammenarbeit müssen klare Menschenrechtskriterien enthalten, inklusive dem absoluten Folterverbot. Sollte gegen entsprechende Abkommen verstoßen werden, ist die Zusammenarbeit unverzüglich zu beenden.
  • Sofern im Ausland befindliche Personen der Folter, bzw. ihrer Anordnung oder Beihilfe beschuldigt werden, ohne dass sie dafür vor Ort nachweislich effektiv und rechtsstaatlich belangt werden, soll die deutsche Justiz hier ohne politische Einschränkungen seitens staatlicher Stellen aktiv werden können. Entsprechende Haftbefehle sind zudem seitens der Bundesregierung ohne Ansehen der Adressaten zwingend mit Auslieferungsgesuchen zu unterstützen.
  • Vollumfänglich an der Aufklärung über das CIA-rendition-Programm und etwa den dazugehörigen Geheimgefängnissen und Flügen, in Europa und andernorts, mitzuarbeiten.
  • Eventuelle politische "Ermessensspielräume" bei der internationalen Strafverfolgung, wenn überhaupt, konsequent im Sinne der Erhaltung und Förderung internationalen Rechtes, und somit auch des Verbotes und der Bestrafung von Folter auszulegen, sowie darüber hinaus mindestens für Folter-Fälle ihre generelle Sinnhaftigkeit und Möglichkeiten ihrer gesetzgeberischen Abschaffung zu prüfen.
  • Sich für alle hier erwähnten Maßnahmen auch mit Nachdruck auf europäischer Ebene einzusetzen, in der Gestaltung der deutschen und europäischen Außen-, Wirtschaftsund Entwicklungspolitik der Bekämpfung von Folter und anderen Menschenrechtsverletzungen grundsätzlich einen hohen Stellenwert einzuräumen, sowie diese selbst als vitales deutsches und europäisches Interesse zu definieren.

 

Wir fordern die Bundestagsfraktion auf, die aktuellen Pläne der Bundesregierung zur Anschaffung von bewaffneten sowie waffenfähigen Drohnen abzulehnen. Angesichts der vielfältigen Probleme, die diese aufwerfen, bedarf es zunächst einer grundlegenden gesellschaftlichen und friedenspolitischen Debatte über den Einsatz dieser Waffensysteme.

 


www.amnesty.org/en/region/syria/report-2012


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