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14.01.12 –
Die deutsche Beteiligung an der militärischen Intervention in Afghanistan hat im internationalen Rahmen vor über 10 Jahren unter einer rotgrünen Bundesregierung begonnen. Wir stellen uns der umfassenden politischen Verantwortung, die daraus erwachsen ist.
Gemessen an den Zielen von 2001/2002 ist die Politik der internationalen Gemeinschaft gescheitert; insbesondere konnten die kriegerischen Auseinandersetzungen in Afghanistan nicht beendet werden. Nur hilft diese Erkenntnis weder den Menschen in Afghanistan, noch ersetzt sie eine verantwortliche Politik.
10 Jahre nach Beginn der militärischen Intervention ist die Lage in Afghanistan umstritten. Es gibt teilweise Fortschritte für die Entwicklung im Land, so zum Beispiel ein mittlerweile etabliertes Bildungssystem, das gegen Frauen und Mädchen weniger stark diskriminiert als zuvor, eine stärkere Achtung der Menschenrechte, eine Verbesserung der Infrastruktur für Transport, Energie, Trinkwasser und Bewässerung in Teilen des Landes, sowie eine aktive und zuletzt weiter erstarkte afghanische Zivilgesellschaft. Diese erzielten Verbesserungen haben die Bevölkerung in ländlichen Gebieten jedoch nur sehr eingeschränkt erreicht. So kommt das beachtliche Wirtschaftswachstum fast ausschließlich der städtischen Bevölkerung zu Gute. Der tiefe und sich verschärfende StadtLand-Gegensatz bleibt daher der Nährboden für anhaltende Kämpfe und die Drogenwirtschaft. Das Wirtschaftswachstum beruht weitgehend auf Lieferungen und Leistungen für die internationale Gemeinschaft in Afghanistan. Viele Gelder für den Wiederaufbau fließen in das Ausland zurück. Um einen wirtschaftlichen Rückschlag im Zusammenhang mit dem Abzug der internationalen Truppen zu verhindern, ist ein intensives Gegensteuern erforderlich.
Den erreichten Verbesserungen steht eine weiter eskalierende Kriegsgewalt mit Tausenden von Opfern und eine nach wie vor traumatisierte, zerrissene Gesellschaft gegenüber. Das Land wird durch ein schwaches und korruptes politisches Regime geführt. Die Zahl der getöteten Zivilistinnen und Zivilisten steigt mit trauriger Regelmäßigkeit Jahr für Jahr um ca. 15%, und auch immer mehr SoldatInnen und KämpferInnen verlieren ihr Leben. Soweit sich dies zuordnen lässt, scheinen für die Mehrzahl der Toten die aufständischen Gruppen verantwortlich zu sein. Allein von Januar bis September 2011 wurden jedoch mindestens 645 AfghanInnen bei capture-or-kill-Operationen getötet. Die Anzahl ziviler Opfer von Regierungstruppen und NATO-Truppen lässt sich nicht zuverlässig feststellen. Aufgrund der Wikileaks-Enthüllungen ist davon auszugehen, dass die tatsächlichen Opferzahlen von den NATO-Truppen systematisch verschleiert werden. Soweit Zahlen vorliegen, sind sie insgesamt leicht rückläufig; die Anzahl der zivilen Opfer von ISAFLuftschlägen ist jedoch wieder angestiegen. Unterdessen ist eine Stufe der Eskalation des Krieges eingetreten, die dazu geführt hat, dass Pakistan als wichtiger Nachbar Afghanistans zu den Verbündeten auf Distanz geht, weil Angriffe in Pakistan durch das US-Militär, unterstützt durch die NATO-Streitkräfte mittlerweile unter der pakistanischen Bevölkerung mehr Opfer als in Afghanistan fordern. Die Lage in Pakistan - immerhin eine Atommacht - wird durch diese Art der Kriegsführung zunehmend destabilisiert.
Die internationale Gemeinschaft reagiert auf die negativen Entwicklungen mit unklaren und widersprüchlichen Botschaften. Einerseits werden in Sonntagsreden langfristige Hilfen für die Zeit nach 2014 versprochen, zuletzt so auf der Bonner Afghanistankonferenz. Andererseits werden bindende und konkrete Verpflichtungserklärungen immer wieder in die Zukunft vertagt. Die amerikanische Administration forciert einen Truppenabzug, zugleich verhandelt sie über eine dauerhafte Truppenstationierung in Afghanistan für die Zeit nach 2014 zur weiteren Terrorbekämpfung. Der deutsche Verteidigungsminister sekundiert und kündigt an, auch noch nach 2014 weitere Kampftruppen in Afghanistan stationieren zu wollen, so wie es auch innerhalb der NATO diskutiert wird.
Es bleibt eine widersinnige und widerrechtliche Strategie, Aufständische mit gezielten Tötungen an den Verhandlungstisch zwingen zu wollen. Zugleich ist offen, wer auf welcher Seite überhaupt wirklich verhandlungsbereit ist.
Die bisherige Strategie liegt im ungebremsten starken Ausbau der afghanischen Sicherheitskräfte, um dem Risiko eines Machtvakuums nach einem Abzug der internationalen Truppen vorzubeugen. Mittlerweile wird die hohe Zahl von 350.000 Sicherheitskräften angestrebt, deren Finanzierung die gesamten eigenen Staatseinnahmen Afghanistans übersteigt. Gleichzeitig ist die große Zahl von Milizen und „Sicherheitsfirmen“ ein Problem für die Sicherheitslage. Es ist daher zweifelhaft, ob die massenhafte Ausrüstung von schlecht ausgebildeten Sicherheitskräften einen langfristigen Beitrag zur Stabilität leisten oder zur Bruchlinie für einen neuen Bürgerkrieg wird.
Ungewiss ist, ob die graduellen Verbesserungen zukünftig weiter gehen oder ob die Situation sich erneut verschlechtert. Hoffnung kann der diesjährige Weltentwicklungsbericht geben, nach dem in der Vergangenheit selbst die sich am besten entwickelnden ehemals „Fragilen Staaten“ zwischen 15 und 30 Jahren benötigten, um ihre staatlichen Institutionen auf den Stand eines Landes wie etwa Ghana zu bringen. Die Entwicklung in Afghanistan steht nach zehn Jahren immer noch am Anfang. Wir müssen auch lernen in neuen Zeithorizonten zu denken. Der Einfluss Deutschlands auf die afghanischen Entwicklungen ist trotz des guten Ansehens relativ gering. Umso wichtiger ist eine Politik, die versucht mit einer klaren gradlinigen Agenda die positiven Entwicklungen langfristig zu fördern und international abgestimmt agiert.
Angesichts dieser Situation sehen wir aus GRÜNER Sicht folgende Eckpunkte für das weitere Afghanistanengagement:
Für die Zeit bis 2014 fordern wir von der Bundesregierung,
Für die Zeit nach 2014 fordern wir von der deutschen Bundesregierung,
Das vorliegende Mandat zur Verlängerung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan wird unseren Forderungen nicht gerecht. Wir empfehlen daher der Bundestagsfraktion mit Nein zu stimmen.
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