Minderheiten-Politik auf dem Westbalkan: Einflussnahme von Nachbarstaaten mit Unterstützung von Russland unterbinden

22.09.24 –

Beschluss der BAG Frieden & Internationales auf ihrer Tagung am 22.09.2024

In der Granada-Erklärung des Europäischen Rates vom Oktober 2023 haben Albanien, Nordmazedonien, Bosnien und Herzegowina, Moldau, Georgien und die Ukraine eine Eröffnung der Beitrittsverhandlungen mit Kandidatenstatus erhalten. Der Erweiterungsprozess wurde nach dem russischen Vollangriff auf die Ukraine als geostrategische Notwendigkeit betont. Als BAG Frieden und Internationales begrüßen wir diese Entscheidung, um eine starke, demokratische und geeinte Europäische Union zu schaffen und Europa gegen russische und chinesische Einflussnahme zu stärken. Wir wollen diesen Erweiterungsprozess fördern und zugleich institutionelle Reformen der EU beschließen. Damit die Erweiterung gelingt, muss eine Demokratisierung und Stabilisierung der Region vorangetrieben und der russische Einfluss zurückgedrängt werden.

Auf dem Westbalkan leben Menschen unterschiedlicher nationaler, ethnischer oder religiöser Identität. Während sie in einem Staat bzw. einer Region die ethnische Mehrheit bilden, sind sie in einer anderen in der Minderheit. Diese Minderheiten werden nicht selten von den Nachbarstaaten und unter Unterstützung von Russland für ihre politischen Interessen instrumentalisiert. Das zeigt zum einen, welche Herausforderungen entstehen, wenn das Selbstbestimmungsrecht auf die territoriale Integrität von Staaten trifft, und zum anderen, dass Russland einen destabilisierenden Einfluss auf den Westbalkan gegen eine Aufnahme in die Europäische Union ausübt.

Zwei Sicherheitsmandate

Die Region ist nur scheinbar stabil und von einer Assoziation in die EU sind Serbien, Bosnien und Herzegowina (BiH) oder der Kosovo noch lange entfernt. Gäbe es kein internationales Mandat, das eine bewaffnete Auseinandersetzung verhindert, könnte ein Krieg auf dem Kosovo oder in BiH ausbrechen. Deshalb müssen die UN-Mandate zur Friedenssicherung in Bosnien und Herzegowina sowie im Kosovo weiterhin gesichert und verstärkt und bei Bedarf schnell ausgeweitet werden.

Politische Schlussfolgerungen

Es wird deutlich, dass der Schutz von Minderheitenrechten und die Förderung von Versöhnung und Integration entscheidend für langfristigen Frieden und Stabilität in multiethnischen Gesellschaften sind. Die internationale Gemeinschaft muss weiterhin eine aktive Rolle spielen, um diese Ziele zu erreichen und die Prinzipien des Völkerrechts zu wahren. Die Region braucht kompetente Hilfe, wobei die EU durch Nachgiebigkeit und Fehleinschätzungen die wahren Probleme nicht löst. Es braucht eine nachhaltige diplomatische Offensive seitens der EU, um auf dem Westbalkan eine demokratische und sichere Perspektive zu gewährleisten.

Für eine dauerhafte Stabilisierung müssen wir die Wiederherstellung und den Erhalt der multiethnischen Staaten, die Anwendung des Selbstbestimmungsrechts und das Prinzip der Unantastbarkeit der Grenzen immer wieder als zentralen Punkt herausstellen.

In BiH müssen die komplizierten regionalen Wahlen und ihre Verwaltungsstruktur vereinfacht werden. Selbstbestimmte staatliche und demokratische Verfassungsreformen sind erforderlich, um die Blockaden innerhalb des Staates zu überwinden. Ausgewiesene Verfassungsexpert*innen und Völkerrechtler*innen können für die jeweiligen Staaten Reformen vorschlagen, die allen ihren Bürger*innen gleiche Rechte und Teilhabe ohne Diskriminierung gewähren. Umgekehrt gilt es, Verhältnisse wie Dayton oder Minsk in anderen Regionen, wie Montenegro oder Nordmazedonien, zu verhindern.

Serbien und Kroatien sowie alle weiteren EU-Staaten müssen dazu verpflichtet werden, jegliche Ansprüche und hegemonialen Einmischungen in Nachbarstaat zu unterlassen. Einflussnahmen auf Minderheiten durch Nachbarstaaten lassen sich als hybride Kriegsführung ansehen und als mahnendes Beispiel mit den angeblichen Sezessionisten im Donbas vergleichen. Ziel jener Kräfte ist, politische Entscheidungen auf staatlicher Ebene zu blockieren oder eine Sezession zu erreichen. Diese Praktiken dienen bei betroffenen EU-Beitrittskandidaten dazu, sowohl den Aufnahmeprozess zu blockieren und die Europäische Union zu schwächen. Da sezessionistische Interessen eine fortschrittliche Entwicklung blockieren, können Initiativen aus dem Inneren nicht erfolgreich sein. Dabei werden Menschen, die einer Minderheit angehören, instrumentalisiert, die sich in gewaltsame Spannungen entladen können. Wir möchten diese Instrumentalisierung als Methode der Destabilisierung bewusstmachen, damit besonders der russische Einfluss, meist in Verbindung mit alten kommunistischen Sicherheitsapparaten deutlich wird.

Wir müssen gemeinsam gegen Desinformation und hybride Angriffe vorgehen, um eine Beeinflussung der Mitglieder und der Beitrittskandidaten zu verhindern und Kriterien der Beitrittskandidaten in Richtung Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und einer gemeinsamen europäischen Zukunft stärken. Unabhängige Medien müssen nach journalistischen Standards gestärkt und soziale Medien vor einseitigen Machteinflüssen und manipulativen Eingriffen geschützt werden.

Wir unterstützen einen selbstbestimmten, aber auch inklusiven Ansatz, der jegliche Diskriminierung vermeidet und die vollen politischen Rechte aller Bürger*innen in einem Staat ermöglicht und ihnen ihre Rechte als Minderheit in Bezug auf ihre Sprache und Kultur gewährleistet, da den Beitrittskandidaten die Aufnahme in die EU sonst verwehrt bleibt.

Nur wenn diese hybriden Methoden zur Destabilisierung erkannt werden und Einhalt geboten wird, kann sich eine echte Demokratisierung entwickeln und ein demokratischeres Zusammenwachsen über die Ethnien hinaus ermöglicht werden.

Grundlage einer künftigen Westbalkanpolitik der EU und der Bundesrepublik sollte sein:

  1. Das allgemeine Völkerrecht und das Prinzip der staatlichen Souveränität
  2. Eine klare Absage an die völkischen Ideologien (Propagierung von Kollektivrechten), die zu den Balkankriegen geführt haben und nun eine Neubelebung der Agenden vorantreiben (Srpski Svet/Kroatische Entität u.a.)
  3. Die Implementierung europäischen Rechts (EGMR Urteile zu Bosnien)
  4. Die Implementierung demokratischer Grundprinzipien ohne Kompromisse
  5. Die Promovierung des Bürger*innenprinzips (als Gegenmodell zum völlkisch basierten Ethnonationalismus)
  6. Eine strategische Partnerschaft mit demokratischen Kräften, mit Menschenrechts- und Umweltaktivist*innen, die die Gesellschaften des Westbalkan in eine demokratische Zukunft führen wollen
  7. Eine Berücksichtigung der Opferseite (etwa Opfer sex. Gewalt der Balkankriege und ihrer Kinder, Srebrenica-Überlebende etc). Vielfach sind sie neuerlich den Tätern ausgesetzt, da diese wieder oder noch immer in der Politik aktiv sind.
  8. Eine Stärkung der Sicherheitslage von Rückkehrern (etwa in der Republika Srpska)
  9. Eine klare Absage an alle revanchistischen Tendenzen in der Region (Greater-Power-Ansätze und Einflussnahmen seitens Belgrad, Tirana, Zagreb).

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