Für die Bewahrung des Iran-Nuklearabkommens

Beschluss der BAG Frieden & Internationales vom 15.09.2019 Die Eskalationsspirale im Konflikt zwischen den USA und Iran, die durch den einseitigen Ausstieg der USA aus des Iran-Nuklearabkommen (Joint Comprehensive Plan of Action, JCPoA) durch US-Präsident Trump im Mai 2018 in Gang gesetzt wurde, dreht sich zunehmend weiter und droht, den Vertrag als zentrales rüstungskontrollpolitisches Instrument in seiner Gesamtheit zusammenbrechen zu lassen.

15.09.19 –

Beschluss der BAG Frieden & Internationales vom 15.09.2019

Die Eskalationsspirale im Konflikt zwischen den USA und Iran, die durch den einseitigen Ausstieg der USA aus des Iran-Nuklearabkommen (Joint Comprehensive Plan of Action, JCPoA) durch US-Präsident Trump im Mai 2018 in Gang gesetzt wurde, dreht sich zunehmend weiter und droht, den Vertrag als zentrales rüstungskontrollpolitisches Instrument in seiner Gesamtheit zusammenbrechen zu lassen. Seit dem Ausstieg Washingtons wurden von US-Seite unilateral die Wiedereinführung und Verstärkung von nationalen Sanktionen beschlossen. Ziel ist es Iran – bisher ohne Erfolg - im Rahmen einer Politik des „maximalen Drucks“ zu weitreichenden Konzessionen, mit Blick auf sein ballistisches Raketenprogramm sowie sein regionales Verhalten und einem neuen, allumfassenden Abkommen zu bewegen.

Das Iran-Nuklearabkommen ist das Ergebnis jahrelanger internationaler Bemühungen, durch diplomatische Mittel den Streit um das iranische Nuklearprogramm beizulegen und eine atomare Bewaffnung Irans zu verhindern. Durch seine Verpflichtungen im Verbund mit einem präzedenzlosen Transparenzregime, überwacht durch die Internationale Atom- und Energiebehörde (IAEA), wurde bisher erfolgreich das Risiko einer atomaren Bewaffnung Irans auf ein beherrschbares Maß reduziert. Vor vier Jahren wurde die Vereinbarung mit der Resolution 2231 vom VN-Sicherheitsrat angenommen und ist damit der rechtsverbindliche Rahmen, auf den die internationale Staatengemeinschaft verpflichtet wurde. In seiner Resolution fordert der Sicherheitsrat alle Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen auf, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Umsetzung der Vereinbarung zu unterstützen und gleichzeitig Maßnahmen zu unterlassen, welche der Umsetzung der Verpflichtungen aus dem Iran-Nuklearabkommen entgegenstehen. Der einseitige Ausstieg der USA und die Verhängung unilateraler US-Sanktionen stehen dazu in Opposition. Neben der regelbasierten internationalen Ordnung steht damit auch ein zentrales Rüstungskontrollregime unter Beschuss.

Ein Ende des Iran-Nuklearabkommens würde nicht nur eine Katastrophe für die Region mit unüberschaubaren Konsequenzen einer möglichen Aufrüstungsspirale und eines nuklearen Wettrüstens bedeuten - sondern würde auch ein fatales Signal der Unverlässlichkeit und damit Verhandlungs- und Vereinbarungsunfähigkeit an Staaten wie Nordkorea senden, welche durch diplomatischen und wirtschaftlichen Druck von ihrem Drang nach Atomwaffen abgebracht werden sollen. Der Iran-Nuklearabkommen versprach Iran für eine Aussetzung seines Nuklearprogramms Sanktionserleichterungen und damit einhergehende wirtschaftliche Entwicklung. Obwohl sich die anderen Parteien der Vereinbarung - Russland, China, Frankreich, Großbritannien und Deutschland - gegen die US amerikanische Linie gestellt haben reichen ihre bisherigen Bemühungen um Sanktionserleichterungen im Rahmen des Iran-Nuklearabkommens nicht aus: Durch die Dominanz des US-Dollars im Welthandels- und Finanzsystem und die Bedeutung des US-Marktes für europäische, aber auch chinesische Banken und Unternehmen ist die US-Regierung in der Lage, durch unilateral verhängte Sanktionen auch nicht-US basierte Unternehmen unter Druck zu setzten.

Deshalb profitiert der Iran nun nicht mehr wirtschaftlich von den internationalen Sanktionserleichterungen: Das Land kann kaum mehr Öl exportieren, europäische Unternehmen haben sich aus Angst vor US-Restriktionen zurückgezogen, der Handel ist eingebrochen, es gibt kaum mehr Finanzkanäle. Nicht einmal mehr Medikamente und humanitäre Güter können aufgrund von Selbstreglementierung und Übererfüllung von Unternehmen und fehlenden Bankverbindungen geliefert werden - auch wenn die Güter gar nicht von US-Sanktionen erfasst sind.

Deshalb testet Teheran nun zunehmend Grauzonen bei der Erfüllung seiner nukleartechnischen Verpflichtungen aus, nachdem sich das Land laut Berichten der IAEO bis Juni vollumfänglich an diese gehalten hatte. Im Juni 2019 hat Iran, wie von der IAEO bestätigt – schrittweise begonnen, Uran über die unter des IranNuklearabkommens festgelegten Obergrenze anzureichern. Hiermit sollen die Unterzeichnerstaaten unter Druck gesetzt werden: Falls das Land nicht vom IranNuklearabkommen wie vereinbart profitiere, sehe Teheran keinen Nutzen darin, sich weiter an den Vertrag zu halten, so die Botschaft. Die bisherigen iranischen Maßnahmen deutet aber daraufhin, dass man in Teheran weiter eine Verhandlungslösung anstrebt.

Wir fordern deshalb, dass

  • die Bundesregierung und die EU sich weiter im Rahmen der GASP (Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik) zusammen mit den übrigen Parteien der Vereinbarung China und Russland dafür einsetzen, die Wiener Nuklearvereinbarung als zentrales rüstungskontrollpolitisches Instrument zu bewahren.
  • die Bundesregierung alle praktikablen Maßnahmen ergreift, um wirtschaftliche Aktivitäten, die nach europäischem Recht legal sind, abzusichern und den Handel mit Iran aufrecht zu erhalten. Der Handels- und Zahlungsmechanismus INSTEX, dessen Ausgestaltung und Funktionalität weiter vorangetrieben und ausgeweitet werden muss, ist ein erster wichtiger Schritt, damit Iran wie in der Vereinbarung angelegt wirtschaftlich von Sanktionserleichterungen profitieren kann. Weitere Maßnahmen müssen aber folgen. Eine Möglichkeit sind beispielsweise staatlich abgesicherte, multilaterale Investitionsprogramme für Entwicklungsprojekte, die unmittelbar der iranischen Bevölkerung zugutekommen.
  • die EU sich stärker mit den anderen Vertragspartnern abstimmt, wann eine „significant non-performance“ Irans mit Blick auf seine nukleartechnischen Verpflichtungen vorliegen würde, und sich deutlich gegenüber Iran positioniert, um eine sukzessive Aushöhlung der Vereinbarung zu verhindern und damit seine Funktion zu bewahren.

Im Umgang mit den aktuellen Differenzen im transatlantischen Verhältnis hinsichtlich Iran zeigen sich die Grenzen europäischer Handlungsfreiheit. Dass die Europäische Union den US-amerikanischen Sekundärsanktionen, die europäische Unternehmen zwingen sich aus dem Iran-Geschäft zurückzuziehen, und der Politik des maximalen Drucks kaum etwas entgegenzusetzen hat, offenbart deutlich das geringe Maß einer finanz- und handelspolitischen Souveränität der EU.

Dass wir in der EU nicht in der Lage sind, Maßnahmen durchzusetzen, wenn die USA das nicht wollen, kann nicht im Sinne unserer europäischen Friedens- und Sicherheitsinteressen sein. Es untergräbt unsere wirtschaftliche und politische Souveränität und die Glaubwürdigkeit der europäischen Außenpolitik.

Wir fordern deshalb, dass

  • die EU geeignete Maßnahmen ergreift, um ihre Widerstandsfähigkeit gegen Sekundärsanktionen und damit ihre finanz- und handelspolitische Souveränität erhöht. Dazu gehört längerfristig auch eine Stärkung der globalen Rolle des Euro.

Krise in der Straße von Hormus

Immer mehr wird nun der Persische Golf und die Straße von Hormus zum Austragungsort des Konfliktes zwischen USA und Iran. Mit großer Sorge beobachten wir den sukzessiven Aufbau einer militärischen Drohkulisse durch die USA, welche die Spannungen und das Risiko bewaffneter Zwischenfälle erhöht.

Wir fordern, dass alle Maßnahmen der EU und der Bundesregierung auf eine Deeskalation im Konflikt zwischen USA und Iran ausgerichtet sind. Vor diesem Hintergrund lehnen wir die US-Militärmission „Sentinel“ in der Straße von Hormus und eine deutsche Beteiligung daran ab. Eine „Koalition der Willigen“ unter Führung der USA, einer der beiden Streitparteien, kann kein Beitrag zur Entspannung der Lage sein. Die Freiheit der internationalen Schifffahrt und die maritimen Handelswege stehen für uns nicht zur Disposition. Einem Einsatz der Bundeswehr im Persischen Golf werden wir nur im Rahmen einer völkerrechts- und grundgesetzkonformen Mission und mit einem Mandat der Vereinten Nationen zustimmen.

Wir fordern, dass die EU ein deutliches Gegengewicht zur Logik von Drohungen und Gegendrohungen setzt, der die Regierungen der USA und des Irans, sowie weitere Akteure, aktuell folgen. Diese Logik birgt eine enorme Gefahr für Fehlkalkulationen und eine Eigendynamik, die sich bis hin zum Krieg entwickeln könnte. Dies wäre schlussendlich einmal mehr Wasser auf den Mühlen all derer, die überzeugt sind, dass das Streben nach Atomwaffen das einzige Mittel der wirksamen Abschreckung und Selbstverteidigung sei. Vor allem jedoch droht eine von der EU und ihren Partner*innen in dieser Frage ungebremste Eskalationspolitik den gesamten Nahen Osten und seine Bewohner*innen, sowie alle Nachbarregionen durch einen unkalkulierbaren Krieg auf schlimmste Weise in Mitleidenschaft zu ziehen und Abertausende von Menschenleben zu kosten.

Um aus dieser Sackgasse herauszukommen und auf eine Deeskalation in der Region hinzuarbeiten, braucht es erstens Kommunikationskanäle zwischen Washington und Teheran sowie zumindest eine grundlegende Verständigung. Wir fordern die Bundesregierung auf, die US-Seite aufzufordern ein realistisches und glaubhaftes Angebot für einen politischen Ausweg vorzulegen. Zweitens wird der Konflikt mittelfristig nur dann lösbar werden, wenn es gelingt, zwischen den berechtigten Interessen der Akteure der Region nach Sicherheit und Stabilität, wie Israel, SaudiArabiens, aber eben auch des Irans, einen vertretbaren Ausgleich zu schaffen. Hier ist die EU als Vermittlerin gefragt.

Allerdings wird es nicht zu einer nachhaltigen Entspannung in der Region kommen, solange die unverminderten Vernichtungsdrohungen gegen Israel durch das iranische Regime kein Ende nehmen, die wir aufs schärfste verurteilen, und solange es keine Anerkennung des Staates Israel gibt. Wir fordern weiterhin ein klares Bekenntnis zur Sicherheit Israels und seinem Recht auf Selbstverteidigung im Rahmen des Völkerrechts angesichts der Drohungen und militärischen Aktivitäten Irans. Dies gilt ebenso gegenüber mit dem Iran verbündeten oder von diesem gesteuerten Akteuren, deren Aufrüstung eine erhebliche Gefahr für Frieden und die Sicherheit Israels darstellt. Deutschland muss insbesondere auf die Einhaltung der UNSR-Resolution 1701 durch die Hisbollah dringen und sich verstärkt etwa gegenüber Russland gegen eine militärische Etablierung des Iran in Syrien einsetzen. Gleichwohl lehnen wir auch die scharfe Rhetorik des israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu und Teilen der israelischen Regierung ab, genauso wie Militärschläge gegen iranische Atomanlagen.

Die aktuellen Bemühungen zur Bewahrung des Iran-Nuklearabkommens dürfen keine Begründung dafür sein, dass sich die Bundesregierung bei der klaren Benennung der täglichen Verletzungen von Menschenrechten und rechtsstaatlichen Prinzipien durch Iran zurückhält.

Für einen ganzheitlichen Regionalansatz

Iran kann aufgrund seiner Größe, geostrategischen Lage und Bevölkerungszahl und damit seiner regionalen Bedeutung nicht ignoriert werden, ist aber unter anderem aufgrund seiner Regionalpolitik, dem ballistischen Raketenprogramm, der feindseligen Haltung gegenüber Israel und der verheerenden Menschenrechtslage im Land ein problematischer regionaler Akteur. In einer zunehmend fragmentierten und von Krisen und Kriegen betroffenen Region ist Iran daher zwar Teil des Problems, aber eben auch der Lösung. Unsere Politik gegenüber Iran muss dabei Teil eines ganzheitlichen Ansatzes sein, der auf einer Äquidistanz zu Saudi-Arabien und Iran basiert und sicherheitspolitische Fragen in einem regionalen Kontext diskutiert. Dafür muss die deutsche wie die EUPolitik gegenüber Saudi-Arabien dringend korrigiert werden: d.h., das tatsächliche Verhalten muss angepasst werden, um die autoritären Strukturen beider Länder, ihre problematische regionalen Rollen und ihr Ringen um die regionale Vormachtstellung gleichermaßen kritisch zu adressieren. Vor allem der Export von Rüstungsgütern sowie jegliche militärische Zusammenarbeit mit Saudi-Arabien sind umgehend zu beenden.

Die Doppelstandard-Politik der Bundesregierung ist hier kontraproduktiv für eine erfolgreiche deutsche und EU-Politik in der Region. Wir fordern einen vertieften Dialog mit Iran sowie zwischen Iran und den Ländern des Golfkooperationsrats über regionale Konflikte und die Frage, wie ein Prozess hin zu einer regionalen Sicherheitsarchitektur gestaltet werden kann.

 


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