BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

BAG Frieden & Internationales

Grüne Afrikapolitik

Beschluss der BAGen Globale Entwicklung und Frieden & Internationales vom 18.02.2017 Afrikapolitik steht derzeit wieder ganz oben auf der deutschen und europäischen Agenda. Der Kontinent Afrika ist dreimal so groß wie Europa. Mit seinen 54 Staaten, 1,2 Milliarden Menschen und über 3000 verschiedenen Sprachen sind die afrikanischen Gesellschaften divers und vielfältig. Darum kann es die eine Afrikapolitik gar nicht geben.

18.02.17 –

Beschluss der BAGen Globale Entwicklung und Frieden & Internationales vom 18. Februar 2017 in München

Afrikapolitik steht derzeit wieder ganz oben auf der deutschen und europäischen Agenda. Der Kontinent Afrika ist dreimal so groß wie Europa. Mit seinen 54 Staaten, 1,2 Milliarden Menschen und über 3000 verschiedenen Sprachen sind die afrikanischen Gesellschaften divers und vielfältig. Darum kann es die eine Afrikapolitik gar nicht geben.

Die Flüchtlinge und Migrant*innen aus Afrika bringen die Situation in ihren Herkunftsländern in das Bewusstsein von Bürger*innen und Politik. Dies führt in der Bundesregierung zu einem Konkurrenzkampf, bei dem sich BMZ, BMF und BMWi mit neuen afrikaorientierten Konzepten zu übertrumpfen versuchen, während das Bundeskanzlerinnenamt mit Vorstößen wie zu Tunesien scheitert; nur im Auswärtigen Amt herrscht dröhnende Stille. Die EU und ihre Mitgliedsstaaten entfernen sich mit einer Mischung aus öffentlichkeitswirksamen Gipfeln und Geheimdiplomatie immer weiter vom Ansatz der Politikkohärenz für Entwicklung, der schon im Vertrag von Lissabon festgelegt wurde. In der deutschen G20-Präsidentschaft spielt Afrika eine zentrale Rolle und das BMF will im G20-Kontext mit einigen afrikanischen Ländern einen „Compact with Africa“ abschließen.

Die Afrikapolitik geht dabei immer weiter weg von einer menschenrechtsorientierten Außenpolitik und einer Entwicklungspolitik, die nachhaltige Entwicklung in den Mittelpunkt stellt. Wir GRÜNE lehnen einseitige und kurzfristige Interessenspolitik, die zu Ausbeutung und Abschottung führt, ab. Viel zu häufig folgen der Rhetorik der Fluchtursachenbekämpfung Maßnahmen, die lediglich Symptome bekämpfen und Migration insgesamt in und aus Afrika verhindern wollen, anstatt die strukturellen Ursachen von Flucht wie Krieg und Terror, Armut, Umweltkatastrophen und Klimakrise oder politische Verfolgung anzugehen.

Wir setzen uns für einen Paradigmenwechsel in den Beziehungen mit den Afrikaner*innen ein, der auf der Basis einer gemeinsamen, globalen Verantwortung aufbaut. Wir stehen für eine Politik, die sich gemeinsam vereinbarten Zielen verpflichtet und das Gesamtregierungshandeln glaubwürdig in deren Dienst stellt. Maßstab dieser Politik sind die universellen Menschenrechte, die Friedenssicherung, die Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) und das Klimaabkommen von Paris.

Die Zukunft liegt in einer Afrikapolitik, die sich von kolonialen und patriarchalen Denkmustern freimacht und gleichzeitig die europäische Verantwortung gegenüber dem Kontinent ernst nimmt. Die jahrhundertelange Ausbeutung Afrikas durch Europäer*innen muss immer kritisch reflektiert werden, wenn es darum geht einen europäischen Blick auf unseren Nachbarkontinent zu werfen. Die viel zu lange geleugnete deutsche Verantwortung für den Völkermord an den Herero und Nama steht stellvertretend für eine unzureichende Aufarbeitung des deutschen und europäischen Kolonialismus. Aus der deutschen Kolonialgeschichte entsteht unter anderem seitens der Herero und Nama ein dringender und substanzieller Wiedergutmachungsanspruch.

Wir wollen die Partnerschaft zwischen Europa und Afrika auf allen Ebenen zukunftsfähig machen. Primat hat dabei immer die multilaterale Kooperation. Neben der in Regierungsverhandlungen festgelegten Zusammenarbeit zwischen Staaten wollen wir verstärkt auch mit der afrikanischen Zivilgesellschaft zusammenarbeiten. Auch den Privatsektor in Afrika wollen wir verstärkt fördern. Deutsches und europäisches privatwirtschaftliches Engagement muss an klare demokratische, menschenrechtliche und sozial-ökologische Kriterien gekoppelt werden. Partnerschaft bedeutet dabei für uns immer bei uns selber anzufangen und die Folgen unseres Konsums und unseres Wirtschaftens für die Menschen Afrikas in unser Handeln einzubeziehen.

Politikkohärenz für Frieden und nachhaltige Entwicklung muss dabei der Leitsatz sein. Erst eine gemeinsame rechtsbasierte und menschenrechtsorientierte sozial-ökologische Afrikapolitik der EU bildet einen guten Rahmen für einen Austausch auf allen Ebenen und in allen Bereichen. Deshalb fordern wir ein europäisches Herangehen mit folgenden Kernelementen:

  • Ein ernst gemeinter Dialog mit den afrikanischen Partner*innen auf der Basis geteilter Rechte und gemeinsamer Interessen sowie die Unterstützung von Entwicklungsinitiativen afrikanischer Staaten und regionaler Organisationen wie der Afrikanischen Union (AU).
  • Eine bessere Abstimmung und Harmonisierung der Afrikapolitik zwischen den Ressorts innerhalb Deutschlands durch eine übergreifende Afrikastrategie der Bundesregierung, die sich in eine stärkere EU-Afrikapartnerschaft integriert.
  • Eine bessere Abstimmung innerhalb der EU und mit multinationalen Akteuren, zum Beispiel durch gemeinsame Programmierung und Bündelung der Ressourcen.

Widersprüchliche und falsche EU-Afrikapolitik beenden

Despoten dafür zu bezahlen, dass sie unter menschenunwürdigen Bedingungen Flüchtlinge daran hindern, in die EU zu kommen, ist keine Fluchtursachenbekämpfung. Aber genau in diesem Sinne wurden auf dem EU-Afrikagipfel 2015 in Valletta die Grundlagen für eine Neuausrichtung der EU-Afrikapolitik gelegt und vorgeblich mehr Gelder für afrikanische Staaten versprochen. Tatsächlich sollen in Zukunft vornehmlich Länder belohnt werden, die möglichst effektiv Flüchtlinge von Europa fern halten. Die Regierungen anderer Staaten werden ermahnt sich an menschenrechtliche und rechtsstaatliche Prinzipien zu halten, während Staaten wie Äthiopien oder Sudan für den Aufbau von Grenzschutz und Sicherheitskräften „ertüchtigt“ werden sollen.

Dabei werden zunehmend aus innenpolitischem Druck heraus außenpolitische Realitäten umdefiniert. Staaten wie Marokko, Algerien und Tunesien sollen zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt werden, nicht weil sie sicher sind, sondern um die Asylverfahren zu beschleunigen. Rüstungsexporte und Waffenlieferungen aus Europa in die Krisenregionen Afrikas führen zu immer weniger Sicherheit auf dem Kontinent. Gleichzeitig zerstören unser Konsum und Handel schon heute Lebensgrundlagen in Afrika. Minister Müller legt einen weder innerhalb der Bundesregierung, noch in der EU und schon gar nicht mit den afrikanischen Partner*innen abgestimmten Marshallplan mit Afrika vor. Dieser enthält zwar viele richtige Forderungen, schweigt aber darüber, dass seine eigene Regierung entscheidenden Anteil hat an einer Agrarpolitik, die die Märkte in Afrika zerstört und zu Landgrabbing beiträgt. Das Entwicklungsministerium selbst ist zuständig für jene Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPAs), durch die sich der Druck auf die Landwirtschaft und wenig entwickelte verarbeitende Industrien in verschiedenen afrikanischen Staaten erhöhen wird. Das hält die EU jedoch nicht davon ab, afrikanische Staaten unter Druck zu setzen, diese Abkommen zu ratifizieren.

Zudem verweigern sich sowohl die EU als auch die Bundesregierung der in den internationalen Verhandlungen und auch von uns GRÜNEN geforderten Zusätzlichkeit der Klimafinanzierung. In der Entwicklungs- und Klimafinanzierung ist die Bundesregierung ganz groß im Schönrechnen: Finanzzusagen für den internationalen Klimaschutz und Entwicklungsgelder werden doppelt angerechnet. Zudem stiehlt der Staat sich aus der Verantwortung, wenn im erheblichen Umfang private Mittel eingerechnet werden.

Für uns GRÜNE ist diese widersprüchliche Politik nicht nur unter humanitären und menschenrechtlichen Gesichtspunkten verwerflich. Sie legt auch die Grundlagen für Destabilisierung und die Fluchtursachen von morgen, statt einen Beitrag zu einer langfristigen nachhaltigen Friedens- und Wohlstandsentwicklung zu liefern.

Herausforderungen für die Staaten Afrikas

Afrika hat in den letzten 25 Jahren in sozialer und wirtschaftlicher Hinsicht viele positive Entwicklungen erreicht. So ist die Armutsrate von 56 Prozent in 1990 auf 43 Prozent in 2012 gesunken. Die Wirtschaft ist in den letzten Jahren in der Mehrzahl der Länder mit über fünf Prozent gewachsen. Die Lebenserwartung ist seit dem Jahr 2000 um über sechs Jahre gestiegen. Trotzdem steht Afrika weiterhin vor enormen Herausforderungen. Sieben der zehn Länder mit der höchsten sozialen Ungleichheit liegen in Subsahara-Afrika. Gleichzeitig ist dort fast jede*r zweite Erwachsene Analphabet*in, in der Mehrzahl Frauen. Besonders herausfordernd ist die Gewährleistung der sexuellen und reproduktiven Rechte von Frauen. Ferner muss deren Schutz vor Gewalt sichergestellt werden. Die geringsten Entwicklungserfolge gab es in den vergangenen Jahren in fragilen Staaten wie Südsudan, Somalia, der Zentralafrikanischen Republik, Tschad, Sudan oder der Demokratischen Republik Kongo.

Wir tragen als Europäer*innen historisch aufgrund des Kolonialismus und heute aufgrund einer ungerechten Weltwirtschaftsordnung eine große Verantwortung für Afrika. Gleichzeitig sind viele Probleme in Afrika das Resultat von korrupten Eliten und Unterdrückung, fehlender oder schwacher staatlicher Strukturen sowie fehlender Entwicklungsmöglichkeiten für einen nachhaltig wirtschaftenden Privatsektor vor Ort.. Mit großer Sorge beobachten wir die anhaltenden und zunehmenden Menschenrechtsverletzungen sowie den demokratischen Rollback in vielen afrikanischen Staaten und die grassierende Korruption.

Zunehmend wird die Arbeit von Nichtregierungsorganisationen und unabhängigen Medien sowie der Zugang zu sozialen Medien und Internet eingeschränkt und die Opposition mundtot gemacht. Besonders unter Druck gerät dabei die Finanzierung von zivilgesellschaftlichen Gruppierungen. Staaten wie Äthiopien, die selbst um Investitionen und Entwicklungsgelder aus dem Ausland werben, kritisieren und verbieten zunehmend die Finanzierung von NGOs aus dem Ausland. Das ist zynisch und inakzeptabel. Hinzu kommt ein bedenklicher Trend afrikanischer Staaten, aus dem Internationalen Strafgerichtshof auszutreten.

Gemeinsame Verantwortung mit Afrika heißt bei uns in der EU anzufangen

Wir GRÜNE wollen die Zusammenarbeit zwischen der EU und afrikanischen Staaten an dem Primat der Menschenrechte und den Prinzipien nachhaltiger Entwicklung ausrichten. Zu lange war Afrika vor allem dann im Fokus der europäischen Politik, wenn es um einseitige Interessen ging.

Als GRÜNE sehen wir in den Bereichen Migration, Frieden, Klima und Handel massive Fehlentwicklungen der deutschen und EU-Politik gegenüber Afrika, denen wir entgegensteuern wollen. Die grüne Afrikapolitik will: Nachhaltige Entwicklung statt Abschottung, mehr Engagement für den Frieden, Klimagerechtigkeit und zukunftsweisende Wirtschaftsbeziehungen mit Afrika.

1. Nachhaltige Entwicklung und Frieden statt Abschottung

Migration ist in Afrika, wie überall auf der Welt, seit Jahrhunderten Teil der Lebensbedingungen und Wirtschaftsbeziehungen der Menschen. Die Zunahme der Migration ist auch eine Folge der Globalisierung. Das Problem ist dabei nicht, dass Menschen sich auf den Weg machen, sondern, dass viele durch existentielle Armut, Krieg und Terror, Umweltkatastrophen und politische Verfolgung dazu gezwungen sind. Das lässt sich weder mit der militärischen „Ertüchtigung“ von Grenzen, noch mit Patrouillenbooten lösen.

Migration ist auch für Europäer*innen ein historischer Normalfall, der über längere Zeiträume den Menschen in den Herkunftsländern und in den Zielländern sowie den Migrant*innen hilft ihr Potenzial zu entfalten. Migration kann Entwicklung für alle fördern, wenn sie denn richtig gestaltet wird. Die EU ist die größte Geberin in der Entwicklungszusammenarbeit in Afrika. Gleichzeitig übersteigen die Rücküberweisungen durch Menschen in Europa mit Migrationshintergrund aus Afrika in ihre Herkunftsländer die Entwicklungsgelder um ein Vielfaches. GRÜNE treten deshalb dafür ein, es zum Ziel deutscher und der EU-Politik zu machen, die internationale Ordnung so zu gestalten, dass Menschen selbstbestimmt migrieren können und eben nicht dazu gezwungen sind, ihre bisherige Heimat zu verlassen.

Grüne Afrikapolitik ist emanzipatorisch, sie lässt sich nicht dem Schlachtruf „Fluchtursachenbekämpfung“ unterordnen. Im Gegenteil, wir sind uns bewusst, dass das Schaffen neuer Chancen zunächst auch zu mehr Migration führen kann. Wir sehen Migration als Chance an. Im Ausland erworbene Fähigkeiten können für Herkunftsländer signifikanten Wissens- und Technologietransfer bedeuten. Sie dürfen aber nicht zu einem Brain Drain führen. Wir müssen die Voraussetzungen dafür schaffen, dass junge Afrikaner*innen in ihrem Kontinent die Chancen finden, ihre bei uns erworbenen Fähigkeiten anzuwenden. Wir wollen diese Staaten besser dabei unterstützen Migration und Entwicklung zusammenzubringen und in Europa die Rahmenbedingungen so gestalten, dass auch hier Integration und Entwicklung für alle Beteiligten gelingen kann.

Mit afrikanischen Despoten Deals auf Kosten der Menschenrechte zu schließen, noch dazu am Europäischen Parlament und den nationalen Parlamenten vorbei, lehnen wir ab. Auch lehnen wir es ab, wenn Staaten, die bei Rückübernahmen nicht kooperieren, mit dem Entzug von Entwicklungsgeldern oder Handelspräferenzen gedroht wird. Das trifft dann die Ärmsten der Armen, also jene, die tatsächlich auf Entwicklungszusammenarbeit angewiesen sind. Außerdem findet eine Verlagerung der Mittel statt: weg von Staaten und Gruppen, die sie besonders dringend brauchen, und hin zu Regierungen und Maßnahmen, die Geflüchtete möglichst effektiv stoppen.

Im vergangenen Jahr beschloss die EU-Kommission, dass Gelder, die für die zivile Krisenprävention vorgesehen sind, auch zur Unterstützung von Akteur*innen im Sicherheitsbereich eingesetzt werden sollen. Diese Zweckentfremdung ist nicht nur ein Tabubruch, sondern wird auch von Rechtsexpert*innen als ein Bruch der EU-Verträge gesehen. Und auch hier werden die Mittel an anderer Stelle, also bei der zivilen Konfliktbearbeitung und Krisenprävention fehlen.

Stattdessen fordern wir:

  • Menschenrechte, zivile Krisenprävention und nachhaltige Entwicklung ins Zentrum europäischer Außen- und Entwicklungspolitik zu stellen;
  • statt einem Fokus auf die militärische Bekämpfung von Schlepper*innen braucht es stärkere Bemühungen zur Seenotrettung und legale Zugangswege, wie den Familiennachzug und einen Ausbau der Resettlement-Programme der Vereinten Nationen (VN). Zurückschicken auf dem Meer lehnen wir ab;
  • keine Konditionierung von Entwicklungsgeldern in Zusammenhang mit einer Abschottung der EU und keine Zweckentfremdung von Entwicklungsgeldern oder Geldern für zivile Krisenprävention zur Aufrüstung von Sicherheitskräften und Grenzschutz von Diktatoren;
  • einen realistischen Aufholplan, um das international vereinbarte Ziel zu erreichen, bis 2020 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE) für globale Entwicklung zu investieren. Mittelfristig soll die Hälfte dieser Mittel an die ärmsten Staaten gehen (LDCs). Alle Entwicklungsgelder müssen sich partnerschaftlich gemäß den Wirksamkeitsprinzipien vereinbart an den SDGs und dem Klimaabkommen von Paris orientieren;
  • das EU-Vertragsprinzip der Politikkohärenz für Entwicklung gilt es endlich ernsthaft umzusetzen. Das bedeutet, dass alle Politiken, wie etwa die Außenwirtschafts- oder die Agrarpolitik, so ausgestaltet sein müssen, dass sie eine globale nachhaltige Entwicklung fördern;
  • statt weiterer Abschottung müssen wir Menschen, die vor existentieller Not fliehen, Schutz in der EU ermöglichen und diesen im Rahmen der EU gemeinsam organisieren. Wir dürfen nicht den Schutz von Geflüchteten auf Staaten abwälzen, die rechtlich und faktisch keinen adäquaten Schutz gewähren;
  • die umfassende finanzielle und kapazitäre Unterstützung von Staaten, die als Gastländer viele Flüchtlinge aufnehmen;
  • Deutschland und die EU sollten sich etwa im Kontext der G7 und G20 sowie der OECD für eine gerechtere globale Verteilung der Flüchtlinge vor allem aus HotSpot-Regionen einsetzen, um direkte Nachbarländer von Krisen- und Kriegsgebieten zu entlasten.

Ohne Frieden keine Entwicklung

Der afrikanische Kontinent steht wie kein anderer sicherheitspolitisch unter Druck. Frieden und Stabilität sind in manchen Regionen weit entfernt. Zudem wird die Rolle der Frauen bei der Friedenssicherung und in Konflikten unterschätzt. Nachhaltige Entwicklung wird so verhindert. In Afrika gibt es die meisten und intensivsten bewaffneten Konflikte im Vergleich mit anderen Kontinenten. Transnationaler Terrorismus verbindet sich mit dem Potential für soziale Unruhen sowie organisierter Kriminalität und bedroht massiv jede menschliche und staatliche Sicherheit.

Rund um die Sahelregion kommen Krieg und humanitäres Elend besonders häufig zusammen. Dramatisch ist die Situation in Somalia, Sudan, Äthiopien, Libyen, der Zentralafrikanischen Republik, im Tschad, in Burkina Faso, Mali, Niger und Mauretanien. Diese Zustände bieten den Nährboden für Radikalisierungen bis hin zur Rekrutierung für terroristische Vereinigungen. Gerade auf junge Menschen ohne Perspektive üben diese Gruppen eine hohe Anziehungskraft aus.

Im Südsudan, wo ein Völkermord droht, und in Nigeria, wo eine Hungersnot ihren fatalen Lauf nimmt, veranschlagen die Vereinten Nationen sogar einen Hilfsbedarf von über einer Milliarde Euro für das laufende Jahr. Solche Krisen und Konflikte sind nicht nur humanitär eine Katastrophe, sondern sie destabilisieren ganze Regionen auf viele Jahrzehnte. Die von den VN geforderten finanziellen Bedarfe für diese humanitären Krisen sind dramatisch unterfinanziert und in der Öffentlichkeit weitestgehend aus dem Blick geraten. Es bedarf einer diplomatischen Initiative Deutschlands und der EU, um diese eklatante Unterfinanzierung der humanitären Hilfe in Afrika anzugehen sowie die politischen Rahmenbedingungen für die Stabilität in den Ländern zu schaffen.

Afrika ist heute der Schwerpunkt der VN-Friedenssicherung: In den neun VN-Missionen sind vier Fünftel der Blauhelm-Soldaten*innen und -Polizisten*innen weltweit im Einsatz, dazu etwa 15.000 zivile Mitarbeiter*innen sowie Politische Missionen und Sondergesandte. Knapp zwei Drittel des uniformierten Personals stammt aus Afrika.

Ihre Rahmenbedingungen werden schwieriger, Friedensprozesse – soweit überhaupt vorhanden – komplexer. Aber VN-Missionen in Afrika sind oft das letzte Netz vor dem Absturz in totales Kriegschaos. Unter diesem Aspekt ist es unverständlich, warum das deutsche Engagement in diesen Einsätzen vergleichsweise gering in Personal und Ausstattung ist. Hier braucht es deutlich mehr Engagement. Bund und Länder sind in der Verantwortung, mehr Polizist*innen zu stellen.

Es gilt, durch VN-mandatierte Einsätze langfristig afrikanische Akteur*innen zu stärken – in ihrer Legitimität und ihren Fähigkeiten. Das darf allerdings nicht aus einer Haltung des Wegschiebens geschehen: So richtig es ist, dass afrikanische Lösungen für afrikanische Probleme gefunden werden, so richtig ist es auch, dass Deutschland und die EU eine Mitverantwortung tragen, wenn sie Massenverbrechen in anderen Teilen der Welt tatenlos zusehen. Wir sollten daher im Sinne der Schutzverantwortung (Verhinderung von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen, „ethnischen Säuberungen“) dazu beitragen, dass die Weltgemeinschaft kollektiv in der Lage ist, friedenserzwingende Maßnahmen zu ergreifen, wenn der VN-Sicherheitsrat oder im Falle seiner Blockade die Generalversammlung dies mit qualifizierter Mehrheit beschließt.

Auch regionale Kooperation ist ein wichtiger Schritt, um Frieden zwischen Staaten zu wahren, grenzüberschreitende Fragen und Probleme zu regeln, aber auch zunehmend um innerstaatlichen Herausforderungen zu begegnen. Heute gibt es 22 Regionalorganisationen in Afrika, so viele wie auf keinem anderen Kontinent. Die EU fördert viele dieser Integrationsprojekte und trägt damit durch Wahlbeobachtung, Kapazitätsaufbau und Vermittlung substantiell zur Stabilisierung Afrikas bei. Mit der African Peace and Security Architecture, welche die Afrikanische Union mit verschiedenen regionalen Organisationen wie der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) verbindet, sind wichtige Schritte hin zu präventiven, auf die Verhinderung von Massenverbrechen abzielenden Institutionen (u.a. Frühwarnsysteme, Mediation usw.) geschaffen worden, welche die Verantwortung der VN sinnvoll ergänzen können.

Solche Formen der multilateralen Zusammenarbeit gilt es weiter zu fördern und auszubauen. Eine einseitige wie von Angela Merkel unterstützte bilaterale „Ertüchtigungspolitik“ von Diktaturen wie Ägypten, wo die Menschenrechte mit Füßen getreten werden, ist dagegen weder außenpolitisch weitsichtig noch mit europäischen Werten und Interessen vereinbar. Wir fordern daher:

  • Deutsche und europäische Politik sollten sich stärker an der langfristigen Schaffung von Stabilität ausrichten und entsprechend stärker in Good Governance, Rechtsstaatlichkeit, Demokratieförderung und Zivilgesellschaft investieren, anstatt sich in Abhängigkeit von despotischen Regimen zu begeben;
  • die humanitäre Hilfe weiter deutlich zu erhöhen und auf einem hohen Niveau zu verstetigen, um damit das Schlimmste abzuwenden;
  • die VN müssen strukturell und dauerhaft viel besser und ausreichend ausgestattet werden;
  • VN-mandatierte Einsätze in Afrika müssen von Deutschland deutlich besser unterstützt werden;
  • die EU und ihre Mitgliedsstaaten müssen darauf umschalten, Regionalorganisationen statt Regionalmächte zu stärken;
  • eine Stärkung afrikanischer Sicherheitsstrukturen muss immer mit einer Stärkung der politischen Legitimation einhergehen;
  • ein Fokus auf den Schutz der Menschenrechte und die Verhinderung von Massenverbrechen zu legen;
  • Korruption effektiv zu bekämpfen, um Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit zu stärken;
  • einen überarbeiteten Aktionsplan der Bundesregierung zur Umsetzung der Resolution 1325 zu Frauen, Frieden und Sicherheit, der den Anforderungen der OSZE Rechnung trägt;
  • eine signifikante Stärkung der Ursachenforschung für bewaffnete Konflikte. Die Folgen der aus der Kolonialzeit geerbten artifiziellen Staatlichkeit oder Konflikte um wichtige natürliche Ressourcen, insbesondere um Wasser, landwirtschaftliche Nutzflächen und seltene Erden, müssen in einer Präventionspolitik stärkere Beachtung finden.

3. Klimagerechtigkeit für Afrika

Afrika ist in extremem Maße von der Klimakrise betroffen. Die Auswirkungen entziehen Lebensgrundlagen und Entwicklungschancen. Und sie stellen vor allem fragile Staaten und die ärmsten Länder vor enorme Herausforderungen. Die Klimakrise wirkt so wie eine Brandbeschleunigerin auf gewalttätige Konflikte und soziale Ungleichheit. So geht die Internationale Organisation für Migration in mittleren Szenarien von über 200 Millionen Klimaflüchtlingen bis 2050 aus, die vor Hochwasser, Meeresspiegelanstieg, Dürren, Stürmen und Hitzewellen fliehen. Die Klimakrise stellt eine Gefährdung der sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Rechte großer und besonders verwundbarer Bevölkerungsgruppen vor allem auch in Afrika dar. Klimagerechtigkeit bedeutet gleichermaßen Energie-, Wasser- und Ernährungsgerechtigkeit.

Die langanhaltende Trockenheit und die dadurch zurückgehenden Wasserressourcen in Süd- und Ostafrika haben die extreme Anfälligkeit der afrikanischen Landwirtschaft gegenüber den Folgen des Klimawandels vor Augen geführt. Zwei Drittel der afrikanischen Beschäftigten sind in der Landwirtschaft tätig, ein Drittel des afrikanischen Bruttoinlandsprodukts kommt aus diesem Sektor. Das Voranschreiten des Klimawandels wird daher die wirtschaftlichen Grundlagen Afrikas besonders hart treffen.

Der Aufbau einer klimaneutralen Wirtschaft muss darum jetzt beginnen – ganz besonders in den Industriestaaten, aber auch in den Entwicklungsländern. Besonders im Fokus steht für uns GRÜNE die industrielle Landwirtschaft samt Massentierhaltung. Sie trägt massiv zur Erderwärmung bei, ohne dafür zu sorgen, den Hunger in der Welt zu reduzieren. Abholzungen und der Einsatz von Kunstdünger setzen große Mengen Treibhausgase frei. Ökologische Landwirtschaft dagegen reduziert die Emissionen, ist langfristig ertragsreicher, besser dem Klima angepasst, erhöht die Biodiversität, verbessert die Fruchtbarkeit der Böden und schützt die Waldbestände.

Zur Erreichung der Ziele von Paris ist ein Umbau der weltweiten Energiesysteme notwendig. Dies kann nur gelingen durch internationalen Wissensaustausch und Kooperation unter Berücksichtigung lokaler Bedingungen und Herausforderungen. Deutschland trägt dabei auch globale Verantwortung.

Die Energiemärkte in afrikanischen Ländern stehen vor besonderen sozialen und sozialpolitischen Herausforderungen. Subventionen für fossile Energieträger sind jedoch keine adäquaten Instrumente zur Sicherung der Energieversorgung der Ärmsten der Armen. Die Subventionen für fossile Energieträger müssen daher in Förderungen für nachhaltige Energiesysteme umgewandelt werden.

Das Klimaabkommen von Paris ist ein großer Meilenstein, um den globalen Temperaturanstieg tatsächlich auf deutlich unter zwei Grad Celsius zu begrenzen. Deutschland hat als viertgrößtes Industrieland dabei eine besondere Verantwortung:

  • Deutschland muss auf dem G20 Gipfel durchzusetzen, dass klimaschädliche Subventionen abgebaut und diese Mittel dafür konsequent für effiziente umweltund sozialverträgliche Investitionen in nachhaltige Energiesysteme eingesetzt werden;
  • die gemeinsame europäische Agrarpolitik (GAP) der EU muss sich konsequent an den Prinzipien der ökologischen Landwirtschaft und des fairen Handels ausrichten, unter Berücksichtigung der sozialen Frage. Externe Effekte der GAP müssen einem systematischem Monitoring unterliegen;
  • ab dem Jahr 2020 wollen wir den fairen deutschen Anteil von ca. 10 Milliarden US-Dollar (ca. 8,5 Milliarden Euro) jährlich an den versprochenen globalen 100 Milliarden US-Dollar für die internationale Klimafinanzierung bereitstellen. Ein Großteil davon müssen öffentliche Mittel darstellen, die unter anderem private Klimafinanzierung mobilisieren müssen. Langfristig sollen diese Gelder zusätzlich zur Entwicklungszusammenarbeit bereitgestellt werden. Die deutsche Klimazusammenarbeit soll konsequent die Voraussetzungen für eine effiziente Nutzung des Klimafinanzierungsaufwuchses sicherstellen;
  • Deutschland und die EU müssen Afrika außerdem durch Bereitstellung und Zusammenarbeit beim gemeinsamen Aufbau von Technologiekompetenz und Wissen für klimabedingte Anpassungsmaßnahmen, Emissionsreduktion und den Umbau zu einer nachhaltigen Wirtschaftsweise unterstützen;
  • deutsche Klimazusammenarbeit muss sich konsequent an den national festgelegten Beiträgen (nationally determined contributions, NDCs) – in denen Staaten ihre individuellen Ziele zur Treibhausgas-Emissionsminderung festgelegt haben – als Leitstrategien der nationalen Klimaaktivitäten und Voraussetzung für kohärente Zusammenarbeit orientieren. Partnerländer müssen beim Aufbau von Kapazitäten für die Erstellung und Umsetzung von ambitionierten NDCs unterstützt werden;
  • wir erkennen die besondere Rolle der Zivilgesellschaft als Treiberin der Transformation an und unterstützen deren Engagement im Kontext der SDGs und von Klimaaktivitäten;
  • Klimaschutz- und Eine-Welt-Bildung wollen wir ausbauen.

4. Zukunftsweisende Wirtschaftsbeziehungen mit Afrika

Mit den sinkenden globalen Rohstoffpreisen hat sich die Wirtschaftslage vieler afrikanischer Länder in den vergangenen Jahren noch einmal verschärft. Im Jahr 2016 sind die Wachstumsraten für das subsaharische Afrika auf nur noch drei Prozent gesunken. Gleichzeitig hat die Ungleichverteilung von Einkommen massiv zugenommen. Nahezu die Hälfte der subsaharischen Bevölkerung lebt in absoluter Armut. Das ist der Nährboden für soziale Spannungen und Konflikte.

In den letzten Jahren wurde trotz teilweise hoher Wachstumsraten in den allermeisten afrikanischen Staaten die Chance verpasst, die Diversifizierung der Wirtschaft voranzutreiben. Noch immer besteht eine erhebliche Abhängigkeit von Rohstoffexporten. Dagegen stagniert der Anteil der verarbeitenden Industrie. Dies ist das Ergebnis einer globalen Wirtschaftsstruktur und der jahrzehntelangen Korruption Weniger auf Kosten der Allgemeinheit. Kleine und mittlere Unternehmen können in diesem Kontext kaum Potenziale zur Diversifizierung der Volkswirtschaft nutzen. Der Rückgang der Rohstoffpreise in den letzten Jahren hat deshalb einige der afrikanischen Staaten besonders hart getroffen.

Hinzu kommt, dass multinationale Unternehmen und einheimische Eliten Geld ins Ausland schaffen, das dann vor Ort fehlt. Das International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) schätzt anhand der Panama Papers, dass multinationale Konzerne durch Steuertricksereien jährlich rund 50 Milliarden US-Dollar aus Entwicklungsländern entziehen. Berechnungen zeigen, dass Afrika insgesamt durch Steuer- und Kapitalflucht wesentlich mehr Geld verloren geht, als durch Entwicklungsgelder in den Kontinent fließt. Die Steuersysteme in afrikanischen Staaten sind oft schwach und dysfunktional. Durch den Rückgang der Rohstoffpreise und durch die entgangenen Einnahmen verschulden sich viele Staaten Afrikas immer weiter. Diese Schuldenlast lässt immer weniger Spielraum für eine nachhaltige und entwicklungsorientierte Haushaltpolitik, insbesondere für die Finanzierung von Investitionen in grüne Infrastruktur, wie zum Beispiel Investitionen in die Wasserversorgung und in Erneuerbare Energien.

Die Industrieländer und zunehmend auch Schwellenländer wie China halten mit ihrer politischen und wirtschaftlichen Macht die afrikanischen Staaten fest im Griff. Auch die EU verfolgt in Afrika harte Wirtschaftsinteressen und lässt vielen afrikanischen Staaten kaum noch Handlungsspielraum. Das zeigt sich besonders bei den Verhandlungen um die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPAs). Die EU erpresst die afrikanischen Staaten, die Abkommen zu ratifizieren, obwohl es massiven Widerstand in den Länder selbst gibt. Im vergangenen Jahr knickte Kenia ein und ratifizierte das Ostafrika-EPA mit der EU, nachdem die EU kurzzeitig Zölle auf kenianische Produkte wieder eingeführt hatte. Einem ähnlichen Druck sieht sich derzeit Tansania ausgesetzt. In einigen afrikanischen Ländern engagiert sich eine aktive Zivilgesellschaft gegen die Ratifizierung der EPAs in ihrem Land.

Für uns GRÜNE stehen die verhandelten EPAs im Widerspruch zum Anspruch einer nachhaltigen Entwicklung und passen in ihrem regionalen Zuschnitt nicht zu den Regionalorganisationen, die wir in ihrer Funktion stärken wollen. Sie gefährden die eigenständige Ausbildung einer afrikanischen Industrie und die regionale Landwirtschaft. Es steht zu befürchten, dass die kostengünstigen europäischen Agrarprodukte nun gänzlich den afrikanischen Markt fluten und dadurch die Lebensgrundlage von Millionen von Kleinbäuer*innen zerstören. Dies würde geleichzeitig die Abhängigkeit von europäischen Lebensmittelexporten erhöhen. Die EU muss hier dringend umsteuern und endlich auf eine faire Handels- und Wirtschaftspolitik umschalten. Auch die Einhaltung von Arbeits- und Umweltstandards in der Lieferkette muss durchgesetzt werden.

Entwicklungspolitik und nationale Politiken müssen sich stärker um die Unterstützung eines leistungsfähigen, nachhaltigen und inklusiven Privatsektors vor Ort bemühen, der Wertschöpfung in den afrikanischen Ländern ermöglicht und die Bevölkerung mit menschenwürdigen Arbeitsplätzen versorgt. Zur Entwicklung von Infrastruktur und zur Finanzierung einer auf CO2-Vermeidung orientierten Wirtschaft müssen afrikanischen Staaten die erforderlichen und zugesagten Finanzierungen bereitgestellt werden. Deutschland und die EU müssen afrikanische Staaten bei verantwortungsvoller Regierungsführung, der Bekämpfung von Korruption sowie der Stärkung einer selbstbewussten Zivilgesellschaft unterstützen.

In vielen Staaten Afrikas besteht die Chance, die Stromerzeugung aus fossilen Ressourcen zu überspringen und die Stromversorgung direkt auf erneuerbaren Energien aufzubauen. Statt großer zentraler Kraftwerke mit teurer Netz-Infrastruktur können dezentrale kleine Erzeugungskapazitäten Strom auch in abgelegene Dörfer bringen. Dank der enormen Kostenreduktion in der Photovoltaik bergen überschaubare Investitionen große Entwicklungsmöglichkeiten.

Statt eines Marketing-Marshallplans für Afrika ohne Folgen brauchen wir zukunftsweisende Wirtschaftsbeziehungen auf Augenhöhe:

  • Wir lehnen die bereits verhandelten EPAs mit den Entwicklungsländern Afrikas ab. Den afrikanischen Staaten muss deutlich mehr Spielraum gegeben werden, sich auch durch höhere Zollanhebungen und Quotenregelungen vor zerstörerischen Billig-Importen zu schützen;
  • zukünftig müssen Abkommen transparent verhandelt und nach sozialen, ökologischen, ökonomischen und menschenrechtlichen Kriterien ausgerichtet sein. Sie dürfen außerdem die etablierten demokratischen und rechtsstaatlichen Institutionen nicht in Frage stellen;
  • dazu gehört die Stärkung der Zivilgesellschaft, die mit Zugang zu Daten des öffentlichen Haushalts einen entscheidenden Beitrag beim Einfordern von Rechenschaft leistet;
  • die Bemühungen der AU zur Schaffung einer kontinentalen Freihandelszone, sowie die im Aufbau befindlichen regionalen Wirtschaftsstrukturen der afrikanischen Staaten müssen respektiert und unterstützt werden, um so den regionalen Handel und die regionalen Wirtschaftskreisläufe zu stärken;
  • Handels- und Wirtschaftsabkommen müssen außerdem aktiv zur Diversifizierung der afrikanischen Wirtschaft beitragen, die langfristige Abhängigkeit von Rohstoffexporten reduzieren und den Entwicklungspfad hin zu einer kohlenstoffarmen Industrialisierung fördern;
  • die EU muss afrikanische Staaten dabei unterstützen, faire und umsetzbare Steuersysteme sowie wirkungsvolle Antikorruptionssysteme aufzubauen, statt stillschweigend zuzuschauen, wie multinationale Konzerne und einheimische Eliten das Geld außer Landes schaffen. International kämpfen wir für ein verbindliches Regelwerk, das Mindeststandards für Unternehmen und Staaten setzt. Schuldenerlass kann ein probates Mittel sein, um eine nachhaltige Finanzierung von Staaten zu gewährleisten;
  • Deutschland mit seinem umfangreichen Know-How insbesondere im Bereich der Erneuerbaren Energien kann und sollte viel mehr dafür tun, Afrika bei einer dezentralen und nachhaltigen Entwicklung in der Energienutzung auch durch Technologietransfer zu unterstützen;
  • die Wirtschaft eines Landes kommt besser voran, wenn Mädchen und Frauen unterstützt werden. Wir fordern dafür die entsprechenden Programme in allen Sektoren und Branchen;
  • das Recht auf Nahrung muss endlich konsequent umgesetzt werden. Dafür müssen bäuerliche Strukturen und nicht die Agrarindustrie intensiver gefördert werden. Das Ziel ist Ernährungssouveränität, die Ernährungssicherheit beinhaltet: Die selbstbestimmte, nachhaltige Agrarproduktion für Eigenbedarf sowie für lokale und regionale Märkte;
  • die Abhängigkeit von internationalen Saatgut-, Pestizid- und Düngemittelkonzernen muss verringert werden. Dazu gehört unter anderem, dass die EU bei Sektorreformen in der Landwirtschaftspolitik nicht auf die Novellierung der Saatgut-Gesetzgebung gemäß dem Vertrag von 1991 des Internationalen Verbands zum Schutz von Pflanzenzüchtungen drängt, sondern stattdessen bäuerliche Rechte, inklusive jenes auf Nachbau, sichert.
  • EU-Dumpingexporte in Entwicklungsländer wollen wir stoppen durch eine Gemeinsame Agrarpolitik der EU, die auf dem Prinzip der Politikkohärenz für Entwicklung basiert. So ist die Abschaffung der Flächenprämien für europäische Landwirte längst überfällig;
  • die Spekulation mit Nahrungsmitteln werden wir weiter bekämpfen;
  • der Raubbau der Fischbestände Afrikas muss sofort beendet werden;
  • wir fordern die Ausweitung des Einsatzes von Entwicklungsgeldern für Finanzinstrumente zur Risikominimierung von sozial-ökologischem wirtschaftlichem Engagement gerade auch einheimischer Unternehmer*innen in Afrika, wie sie etwa die Internationale Entwicklungsorganisation (IDA) für fragile Staaten vorschlägt. Dazu gehören etwa Währungsabsicherungen, Garantiefazilitäten für kleine und mittelständische Unternehmen oder neueren Formen der Finanzierung von sozialen Dienstleistungen wie bei Development Impact Bonds.

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